Montag, 5. September 2022

96. Tag: 28. August 2022 Rifugio Gardetta - Rifugio Prati del Vallone

Es hat in der Nacht noch ganz ordentlich geregnet, der Morgen begrüßt mich aber mit der Reflektion eines stimmungsvollen Sonnenaufgangs. 
Damit ich schon um halb acht frühstücken kann, ist der junge Koch extra früher aufgestanden. Es gibt unter anderem auch ein Stück Kuchen, das ist immer ein leckeres zusätzliches Schmankerl im hiesigen Einerlei aus Marmelade und Nutella.
Ich verlasse die sympathische Hütte und wandere über die alte Militärstraße wieder hinauf zum Passo Gardetta.
Ich bin extra so früh unterwegs, damit ich vor dem Wiedereinbiegen auf die GTA noch auf den Bric Cassin steigen kann, in der Hoffnung auf einen Blick auf den Monte Viso.
Oben am mit den ukrainischen Farben geschmückten Gipfelkreuz steht der Gigant dann tatsächlich am Horizont; ein beeindruckendes Bild.In der Gegenrichtung ist die Cima Argentera deutlich zu sehen. Somit kann ich von einem Gipfel aus sehen wo ich vor einer Woche war (Monte Viso) und wo ich in einer Woche sein werde (Argentera). 
Während ich noch in den Eindrücken schwelge ziehen um die Wolkenfabrik Monte Viso schon wieder die Wolken auf, ich war zum Glück früh genug.
Zurück am Passo Gardetta treffe ich noch kurz auf Lucia und Christian, meine Tischnachbarn von gestern, und kann mich noch einmal verabschieden, dann wandere dann auf der GTA weiter in Richtung Pontebernardo. Eine weitere aufwendig in den Berghang trassierte Militärstraße zieht sich hinauf zum Passo di Rocca Brancia. 
Oben öffnet sich der Blick auf die Seealpen jenseits des Sturatals. 
Nach kurzer Pause beginnt der lange fast anderthalb Höhenkilometer messende Abstieg. Ein schöner kleiner Steig führt mich über mehrere Alm- Etagen hinab, bei bester Aussicht auf die gegenüberliegenden Berge.
So schön der Abstieg ist, seine pure Länge und der zu bewältigende Höhenverlust strengt mich auf die Dauer enorm an. Das ging wohl schon anderen so, denn als Motivation hat jemand auf einen Felsen aufgemalt: "Sempte Avanti", "Immer weiter". Mein Motto seit Wien...
So bin ich froh, als endlich der Talgrund sichtbar ist. Hier am untersten Hang ist die Jagd untersagt, ich bewege mich in einer "Schutzoase".
Ganz unten überquere ich auf einer ganz profanen Brücke die Stura. Ein ganz besonderer Moment auf meiner Tour: Am südlichen Ufer betrete ich die Seealpen, für mich die letzte, südlichste Gebirgsgruppe der Alpen.
Das Tal der Stura verengt sich nun in die Barricate- Schlucht. Ich wandere hier unter beeindruckenden himmelhohen Wänden hindurch; jedoch völlig un- abenteuerlich, da der Weg der alten aufgelassenen Straße durch die Enge folgt.
Am unteren Ende der Schlucht ist bald Pontebernardo erreicht, unvermittelt steht der Kirchturm vor mir.
Hier geht die GTA als Talwanderung Richtung Sambucco. Ich möchte jedoch so schnell wie möglich wieder in die Berge und wandere daher durch das Dorf durch und biege direkt in das Vallone di Pontebernardo ein. Hier bringt mich eine eher langweilige Teerstraße wieder bergauf. 
Nach anderthalb Stunden habe ich mein Tagesziel erreicht, das am Talschluss und vor dem Alpenhauptkamm gelegene Rifugio Prati del Vallone. 
Auch die Häuser dieser kleinen Siedlung sind ein ehemaliger Militärstützpunkt, der nach seiner ursprünglichen Verwendung zunächst als Heimat der religiösen Gemeinschaft ZIO JOHN genutzt wurde. Nun betreibt ein herkömmlicher Pächter die einfache Unterkunft. 
In einem Gebäude sind die Küche und der Gastraum untergebracht, die Schlafräume in einem zweiten dahinterliegenden Haus. Energie gibt es aus dem Generator, der mit Priorität natürlich die Küche versorgt, währenddessen die Stromversorgung für Steckdosen und das Licht in den Zimmern zurückstehen muss.
Es gibt ein gutes Abendessen mit wiedereinmal hervorragenden Antipasti. 
Während des Essens betritt ein Pilzesammler mit seiner Ernte den Gastraum; im Arm hält er einen gigantischen Pilz, für dessen Begutachtung sogar die Chefin aus der Küche kommt.
Ich schlafe heute wie auf dem Rifugio Gardetta wieder in meinem Schlafsack auf dem Bett; die kuschelige Wärme tut mir gut nach dem langen Tag.

Glück des Tages: Monte Viso und Cima Argentera - Woher kommst du und wo gehst du hin, zu sehen von einem Gipfel.

Gelaufen: 22,22 Kilometer
Bergauf: 868 Hm 
Bergab:  1.477 Hm  
Höchster Punkt: Bric Cassin  (2.637m)
Übergänge: Passo di Rocca Brancia, Stura (Fluss)
Gipfel: Bric Cassin 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...