Sonntag, 18. September 2022

101. Tag: 02. September 2022 Rifugio Malinvern - Terme di Valdieri

Heute steht wohl mal wieder einmal ein Regenwettlauf auf dem Programm, denn für den Nachmittag deuten die Wetteraussichten wieder in Richtung aufkommende Niederschläge. Da trifft es sich gut, dass heute nicht die Mega-Etappe vor uns liegt: Fünfeinhalb Stunden sind im Rother-Führer veranschlagt für den Übergang nach Terme di Validieri, von denen die letzte bereits auf einer Talstraße verlaufen soll.
Das Frühstück ist gewohnt einfach, heute gibt es sogar die Nutella aus einer großen Schüssel und den Kaffee lediglich aus einer Gemeinschaftskanne für alle.
Für das Bezahlen mit Karte ergibt sich die Hütten- hausgemachte Schwierigkeit, dass das Lesegerät über Nacht nicht aufgeladen wurde und nun hektisch ein Ladekabel gesucht werden muss; es ist ja auch total unvorhersehbar, dass morgens die ein oder andere Kreditkarte vorgelegt wird. Urs und ich stellen uns stur und beharren auf der Kartenzahlung, auch wenn es eine Viertelstunde dauert, bis die Anlage wieder genügend Strom hat; Bargeld ist kostbar und der nächste Geldautomat noch Tage entfernt. Außerdem ist es ziemlich dreist, dass mir wie selbstverständlich die Gebühr fürs Duschen und für das WLAN auf die Rechnung gepackt wird, obwohl ich beides nicht genutzt habe. Es sind insgesamt nur drei Euro, über die ich hier diskutieren muss, aber Kleinvieh macht auch Mist.
Vor der Hütte verabschiede ich mich von Markus, der ja heute eine Pause von der GTA macht und mit Blick auf das Wetter und seinen Aufstiegsweg zum Rifugio Questa ein wenig Tempo machen möchte. Machs gut ‚Marko‘, komm gut ans Meer.
Für den Aufstieg zum heutigen Pass müssen wir ersteinmal absteigen bis zum Übergang über den Rio Freddo und sind bald wieder auf gleicher Höhe wie das Rifugio. 
Es herrscht ein wenig frühherbstlicher Hochnebel, der sich jedoch zum Talschluss hin kurzzeitig öffnet und den aus dieser Perspektive alles überragenden Monte Malinfern freigibt.
Der Weg hinauf unterscheidet sich kaum von den Übergängen der letzten Tage: Ein Militärweg führt in vielen Kehren und angenehmer Steigung den steilen Hang hinauf. An der ersten Geländeschwelle oberhalb des Lago Malinvern biegen Urs und ich in einen falschen Weg ein; zum Glück ruft uns Thomas von Ferne zu, dass wir falsch sind, so dass wir unseren Irrtum recht schnell bemerken.
Die GTA leitet uns direkt am See entlang und hinein in ein steiles Kar. Über einige Schotterfelder gewinnen wir zügig an Höhe und stehen schließlich oben an der Passhöhe des Coletto di Valscura, wo wir den Parco Naturale Alpi Marittime betreten.Es hat sich ziemlich zugezogen, und auch über den Tälern haben sich die Wolken festgesetzt. Darüber ragt die Cima Argentera, der Anhaltspunkt der letzten Wanderwoche, nun unmittelbar heraus. Morgen werden wir im Rifugio Genova zu ihren Füßen sein.
Da es in der schmalen Scharte ziemlich zugig ist beginnen wir rasch mit dem Abstieg. Dieser führt uns direkt auf den Lago di Valscura zu, an dessen Ufer wir die Rast nachholen und eine Stunde Pause machen.
Hier haben die Alpini einige Kasernenruinen hinterlassen, die heute vor sich hin gammeln. Die damals zu ihrer Versorgung gebaute Straße ist noch gut erhalten. Sie wurde offensichtlich auch für schweres Gerät trassiert mit großen Stützmauern, einem Tunnel und vielen Serpentinen; so führt die GTA sehr bequem hinunter ins Valle di Valasco.
Als wir schließlich den Talgrund erreichen fängt es an zu regnen. Zum ersten Mal seit Talosio muss ich Regenzeug anlegen, lasse den Poncho jedoch noch weg. Nach einer halben Stunde entscheidet sich das Wetter glücklicherweise anders und lässt wieder der Sonne den Vortritt. So können wir im Vorbeigehen das alte Jagdschloss von König Vittorio Emanuele II bei bestem Licht betrachten. Es ähnelt in seiner festungsartigen Bauweise einem Fort im Wilden Westen; nach langem Leerstand wird das Gebäude zwar heute als CAI-Hütte genutzt, macht jedoch keinen sonderlich einladenden Eindruck.
Der weitere Abstieg führt über eine langweilige Schotterstraße und zieht sich ziemlich in die Länge.
Terme di Valieri besteht im Wesentlichen aus einer Kapelle, dem Thermalbad, dem Grand Hotel Royal Terme sowie zwei kleineren Unterkünften. Während Thomas und Michael ins Hotel abbiegen, checken Urs und ich im Posto Tappa Casa Savoia ein. Auf dem Weg dorthin kommen wir am Thermalbad vorbei und entscheiden spontan, den Halbtags- Eintrittspreis von 20 Euro lieber in Bier und Kuchen zu investieren.
Während wir also den Rest des Nachmittages gemütlich absitzen – es gibt leckeres FORST-Bier aus Südtirol -, beginnt draußen der angekündigte Regen.
Beim Abendessen sitzen Urs und ich mit Antonia und Manuel zusammen, anschließend schauen Michael und Thomas noch auf ein Glas Wein in unserer ‚Savoy-Bar‘ vorbei. Es bleibt nicht bei einem Glas, schließlich überlassen uns die Wirtsleute ihren Schankraum und verabschieden sich in den Feierabend. Wir könnten sitzen bleiben so lange wir wollen, mögen jedoch bitte danach alle Lichter ausmachen.

Glück des Tages: Der schöne Abend im Posto Tappa bei vollem Vertrauen der Wirtsleute: Sie haben von uns noch nicht einmal irgendwelche Personalien, überlassen uns jedoch ihre Bar mit Dutzenden von Weinflaschen in den Regalen um uns herum.

Gelaufen: 19,6 Kilometer
Bergauf: 798 Hm 
Bergab: 1.237 Hm  
Höchster Punkt: Coletto di Valscura (2.520m)
Übergänge: Coletto di Valscura
Gipfel: keine 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...