Mittwoch, 27. Juli 2022

62. Tag: 25. Juli 2022 Rimella Chiesa - Alpe Baranca

Das üppige Abendessen lag mir in der Nacht erwartungsgemäß noch ziemlich lange schwer im Magen. So fehlen mir heute morgen doch einige Stunden Schlaf.
Das Frühstück hier im Albergo Fontana ist ähnlich liebevoll angerichtet wie gestern das Abendessen. Es gibt leckeren Almkäse, Obst, Joghurt und einen leckeren Kuchen. Am Nebentisch sitzen Karin und René aus der Schweiz. Sie gehen in den kommenden Tagen den gleichen Weg wie ich und übernachten heute auch auf der Alpe Baranca. Bei dieser hatte gestern auf meine Bitte hin die Englisch sprechende Mitarbeiterin des Albergos angerufen und für mich einen Schlafplatz reserviert.
Das Albergo Fontana verlasse ich heute wirklich ungern, ich habe mich hier freundlich aufgenommen und sehr wohl gefühlt. Und noch eine Überraschung: Die Rechnung wird von der Chefin persönlich am Ende noch nach unten korrigiert, weil ich ja so eine "camera piccola" hatte.
Heute ist es schon in der Früh ziemlich schwül, und dicke Wolken haben sich bereits an der Bergkämmen festgesetzt.
Der Wandertag auf der GTA beginnt mit einem Abstieg hinab ins Tal und auf der anderen Seite direkt wieder steil hinauf. Wie Adlerhorste kleben hier kleine Dörfer am Hang, mit der Außenwelt nur über diesen Fußweg und mittels kleiner Materialseilbahnen verbunden. Dass hier kaum noch jemand wohnt und vieles zugesperrt oder bereits im Verfallen begriffen ist, ist nachvollziehbar; im Gegenteil freut man sich über jedes bewohnte Haus, an dem man vorbeiwandert.
400 Höhenmeter aufwärts durch schattigen Wald später tritt der Weg unterhalb des Kamms in die Sonne. Oben liegt der Weiler La Res, jenseits des Tals ist noch einmal Rimella Chiesa gut zu sehen. 
Dahinter geht es gleich wieder hinab ins nächste Tal. Belvedere heißt hier ein Dorf am Hang nicht ohne Grund, kann man doch schön ins Mastellonetal hinunterschauen. Auch auf dieser Bergseite liegen viele Dörfer, die nur Seilbahnanschluss haben. 
Die GTA führt mich steil hinunter bis zur Talstraße, der ich nun flussaufwärts folgen muss.
Ich komme an einigen schönen Steinbrücken vorbei, bis ich in Santa Maria das oberste Dorf des Tals erreicht habe.
Hinter den Häusern habe ich Karin und René eingeholt, die es sich gerade an einem schönen Badeplatz gemütlich machen. Nacheinander erfrischen wir uns nun im kalten Wasser, nach anfänglicher Überwindung ist das bei der heutigen Schwüle herrlich.
Als wir wieder zusammenpacken, verschwindet die Sonne hinter den Quellwolken und es fallen sogar ein paar Regentropfen. Aber danach meldet sie sich erst einmal wieder zurück.
Wir steigen nun auf einem mit großen Steinen ausgebauten Saumpfad weiter das Tal hinauf. Hatte die Landschaft heute über weite Strecken fast Mittelgebirgs- Charakter, zeigen die hohen Berge rechts und links des schmaler werdenden Tals nun wieder eindeutig alpines Panorama.
Anderthalb Stunden nach der Badepause erreichen wir die etwas unterhalb des Weges gelegene Alpe Baranca.
Hier werden wir herzlich von der Wirtin empfangen. Unter einer großen Markise machen wir es uns bequem, René und ich trinken ein Feierabendbier. Viele Gäste sind heute nicht hier; außer uns noch Carmela und Alex, ein junges Schweizer Pärchen, das ich auch schon in Rimella gesehen hatte,  später kommt aus Richtung Carcoforo noch ein junges französisches Pärchen dazu, dass witzigerweise aus Sospel stammt, meinem vorletzten Übernachtungsort im Hinterland der Côte d'Azur.
Dann fängt es an zu regnen und steigert sich in einen stundenlangen Wolkenbruch. Dies lässt sich unter der Markiese ganz gut aushalten, ein junger GTA-Wanderer aus Lübeck, der am frühen Abend noch aus dem Tal heraufkommt, ist dagegen triefend nass.
Um 19 Uhr versammeln wir uns am Abendbrottisch. Dieser ist reich gefüllt mit herzhafter Almküche. 
Wir denken natürlich, dass dies das vollständige Abendessen ist, jedoch sind es 'nur' die Antipasti, die Wirtin tischt unter anderem noch große Schüsseln mit Pasta auf.
In unserer Runde entwickelt sich ein interessantes und intensives Gespräch das vom italienischen Kaffee bis zu den Unterschieden zwischen der deutschen beziehungsweise der schweizerdeutschen Sprache geht. Besonders interessant sind die Beiträge des aus dem Sudan stammenden Franzosen, der uns von den zu Europa völlig unterschiedlichen Kommunikationsformen in seiner Heimat erzählt, die zum Teil völlig Gegensätzliches bedeuten.
Der schöne Abend vergeht wie im Flug, "Neun Uhr ist Hikers Midnight" kommentiert der Lübecker trocken, als wir um viertel nach neun die Runde auflösen.

Glück des Tages: Erfrischungsbaden im kalten Wasser des Mastellone.

Gelaufen: 14,7 Kilometer 
Bergauf: 1.025 Hm  
Bergab:  605 Hm   
Höchster Punkt: Alpe Baranca (1.580m) 
Übergänge: keine
Gipfel: keine 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...