Dienstag, 28. Juni 2022

30. Tag: 23. Juni 2022 Zollnerseehütte - Valentinbachtal

Das gestern Abend als "Sehr nachhaltig" angepriesene Frühstück ist in der Tat ein wenig besser als der normale Hütten- Durchschnitt, Croissants oder andere preisintensivere Bestandteile werden jedoch auch hier nicht gereicht.
Meine freundliche Bitte um Füllen meiner Wasserflasche wird von der Hüttenwirtin mit dem Hinweis auf den vor der Hütte befindlichen Brunnen beantwortet; man könnte hier eine kleine Retourkutsche zu meiner gestrigen Aufmüpfigkeit hineininterpretieren.
Wir starten in diesen herrlichen Sonnentag, an dem der Karnische Höhenweg zum ersten Mal seine Zähne zeigen wird, mit einem kleinen Umweg: Die nahe der Hütte gelegene Rosseralm liegt so idyllisch in der Morgensonne, dass wir geradewegs auf sie zulaufen und so den Abzweig in Richtung Plöckenpass übersehen. Dort unterhalten wir uns kurz mit dem Bauern, der uns einen wettermäßig stabilen Wandertag prognostiziert. 
Kurz hinter der Alm stellt sich uns eine Ziegenherde in den Weg. Während wir diese passieren, kommt eine Frau, die eben auch an der Alm war, mit ihrem Auto an uns vorbeigefahren und macht uns auf unseren Wege- Irrtum aufmerksam. Wir laufen also ein paar hundert Meter zurück und biegen nun wie geplant in den Karnischen Höhenweg ein. 
Nach einigen Almwiesen mit prächtiger Aussicht führen uns die Markierungen auf steilem und nach dem gestrigen Regen glitschigem Pfad hinab zur Oberen Bischofalm und hinter dieser über ein Almsträßchen in ein Seitental hinein. Dieses endet in einer den ganzen Hang hinaufführenden Lichtung, wir wenden uns hier weiter taleinwärts und queren den folgenden steilen Nordhang auf einem mit regen- und taunassem Gras bewachsenem Pfad, der schon bald die Schuhe aufweicht.
Unter dem nach Italien führenden Kronhofer Törl wendet sich der Weg in die Sonne. Ab hier wird es steil: Mehrere hundert Höhenmeter über uns liegt der Köderkopf, und da wollen wir hin. Kehre um Kehre geht es bergan, gut gehbar, aber lang und schweißintensiv.
Oben liegt wieder eine Kriegsstellung: Der befestigte Schützengraben ist trotz allem Bewuchses deutlich zu erkennen.
Am Kreuz des Ködertörls ist der höchste Punkt erreicht. Endlich oben.
Jedoch erscheint uns das Wetter wegen intensiver Wolkenbildung hier oben am Grad nicht 100-prozentig stabil, so dass wir uns nach nur kurzem Aufenthalt auf der anderen Seite wieder in den Abstieg begeben. Hier kommen uns mehrere Wandergruppen entgegen. 
Nun folgt die unangenehmste Wegstrecke meiner gesamten bisherigen Tour: Schotter, langes Gras und zum Teil schwierige Schrofenstücke erfordern bei jedem Schritt hohe Konzentration, dazu kommen gelegentliche glitschige Passagen im Schatten höherer Sträucher. Trotz herrlichem Ausblick ist diese winzige, manchmal kaum erkennbare Pfadspur alles andere als schön, zweimal rutsche ich auch aus und ich bin froh, dass bei einer Querung eines Grabens wenigstens die Wasservorräte ergänzt werden können; bei der kurzen Pause hier schütte ich einen ganzen Liter Wasser in mich hinein.
An einer Alm- Ruine wähne ich mich am Ende dieser Tortour. Jedoch sehe ich meine drei Kollegen, die etwas vor mir unterwegs sind, auf einmal auf einem Weg, der wieder deutlich weiter oben durch den nächsten Hang führt: Gegenanstieg, und das nicht zu knapp. Mein daraufhin folgender Wutausbruch ist ebenso lautstark wie unzitierbar. 
Aber was hilft's, ich muss da auch hoch. 
Umso schöner, dass die Drei dort auf mich warten und wir eine längere Pause machen  die Körper und Seele gut tut. Hier entspringt dann auch die Idee, bei geeignetem Wetter nicht auf der Unteren Valentinalm zu übernachten, sondern weiter oberhalb von dieser an geeigneter Stelle zu zelten; dadurch kämen wir der Wolayerseehütte schon heute ein gutes Stück näher.
Am Brunnen der Spielbodenalm tanken wir noch einmal Wasser nach, steigen dann durch einen Wald bis zu einer Forststraße ab, die uns schließlich bis zur Plöckenpassstraße bringt.
Leider ist das oberhalb eines kleinen Stausees direkt an der Straße gelegene Plöckenhaus geschlossen, offensichtlich schon seit längerem, so muss die hier eigentlich eingeplante Bierpause ausfallen. Aber immerhin gibt es hier endlich wieder Telefonnetz, das wir alle für den Kontakt zu unseren Familien nutzen.
Zum frühen Abendessen wollen wir auf der Unteren Valentinalm einkehren, die vom Pass aus eine nicht zu anstrengende Dreiviertelstunde entfernt liegt. 
Auf der Forststraße dahin müssen Radfahrer einen Maulkorb tragen, warum auch immer...
In der Gastwirtschaft lassen wir es uns gutgehen. Kaspresssuppe und ein riesiges Wiener Schnitzel mit Pommes klingen üppig, sind jedoch nach diesem anstrengenden Tag schnell verputzt.
Um dreiviertel sieben brechen wir dann wieder auf, mit der gegenüber dem Hüttenwirt geäußerten Legende, noch zur Wolayerseehütte weiter marschieren zu wollen.
Nach einer guten Stunde finden wir im Valentinbachtal einen geeigneten Zeltplatz. Benedikt gibt mir wie versprochen den ersten Expertenworkshop im Zeltaufbau, dann endet dieser kraftraubende Tag schon vor der vollständigen Dämmerung.

Glück des Tages: Intensiv gespürt am Ende des ekligen Abstiegs.

Gelaufen: 29,3 Kilometer 
Bergauf: 1.450 Hm
Bergab: 1.628 Hm
Höchster Punkt: Ködertörl (2.160m)
Übergänge: Ködertörl
Gipfel: Keine 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...