Es war natürlich keine absolut ideale Nacht in dieser Blechdose. Aber ein paar Stunden habe ich doch tief geschlafen.
Wir frühstücken vor Sonnenaufgang; es ist eine herrliche Stimmung rund um das Bivacco, als hätten wir die Berge für uns allein.
Zunächst stapfen wir wieder zum Rudnigsattel und zur Grenze hinauf und passieren die Bergstation eines Nassfeld- Lifts. Der Gegensatz könnte nicht größer sein: Rechts der Skizirkus als Sinnbild einer intensiven und manchmal zerstörerischen Nutzung der Berge, links das einsame abgeschiedene Hochtal mit der roten Biwakschachtel.
Wir wandern eine gute Stunde auf einem felsigen und stellenweise etwas anspruchsvolleren Steig unter den steilen Wänden des Trogkofels hindurch, danach geht es zum Rattendorfer Sattel hinab, wo wir in herrlicher Sonne unsere erste Pause machen.
Unser erstes Ziel heute ist die Straniger Alm. Der Weg dahin führt uns an einer Kriegsstellung mit den Ruinen der Unterstände im rückwärtigen Bereich und zur Frontseite hin einer einem Felsen eingefügte Schützenstellung vorbei. Diese ist nach über 100 Jahren gut erhalten; man kann sich trotzdem kaum vorstellen, was sich damals abgespielt hat in diesem bestialischen Alpenkrieg.
Am Kordinsattel steigen wir über einen Zaun und sind wieder in Österreich. Oberhalb der von oben hübschen Klein- Kordinalm wandern wir einen Talkessel aus, dann mündet unser Steig in eine breite Almstraße.
20 Minuten später haben wir auf der sympathischen Straniger Alm das erste alkoholfreie Bier schon geordert. Zum Essen kommt noch die übliche Frittatensuppe und ein Pfännchen Kasspatzen dazu, deren Menge trotz der enorm leckeren Almkäse- Unterfütterung gerne etwas umfangreicher hätte sein können. Kathrin, die freundliche Bedienung, und die Chefin kommen der Sprache nach offensichtlich aus Nordrhein- Westfalen; der vor der Alm abgestellte Golf mit dem Kennzeichen HSK könnte ein entsprechender Hinweis sein.
War es bis jetzt recht sonnig, zieht es sich während des Essens langsam zu. Die Chefin verabschiedet uns denn auch mit den Worten: "Ich wünsche Euch, dass Ihr trocken bei der Zollnerseehütte ankommt."
Unser heldenhafter Wettlauf mit dem Regen beginnt nach einer Bachquerung direkt hinter der Hütte mit einem steilen Aufstieg eine Almwiese hinauf, bei dem uns zwei an der Zollnerseehütte gestartete Holländer entgegenkommen. Es wird kühler, weiter oben wehen Wolkenfetzen über die Wiese, dann kommen die ersten Tropfen. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als das Regenzeug anzuziehen.
In nebligem Regen haben wir bald den Waidegger Sattel, Scheitelpunkt des Übergangs, erreicht, wo einige Kühe den Weg säumen.
Nun geht es auf zum Glück gutem von allerlei Gestrüpp gesäumtem Steig durch eine Steilflanke. Der Regen macht einige Felsen nicht unbedingt griffiger, ein wenig aufpassen muss man schon.
Aber dann taucht vor uns der Zollnersee auf, ein längliches auch unter diesen Bedingungen idyllisches Gewässer.
Einige Hundert Meter dahinter taucht dann auch die Zollnerseehütte auf, ein kleiner behaglicher Stützpunkt, in dem wir uns erst einmal mit Suppe stärken.
Da die Hütte bis auf zwei Jungs aus Aschaffenburg, die den Karnischen Höhenweg in entgegengesetzter Richtung gehen, einem älteren Ehepaar mit einem Labrador und einem geschwätzigen Wiener heute leer ist steht einer Übernachtung hier nichts im Wege.
Den Rest des Nachmittags faulenzen wir herum, bis es Zeit zum Abendessen ist. Ohne dass wir es richtig registrieren oder Alternativen bemerken sind wir auf Halbpension festgelegt, die aus einer Zucchinisuppe, Kichererbsencurry und Bananenmilch sowie dem Frühstück besteht. Alles ist lecker, das dicke Ende kommt jedoch dann bei der Abrechnung, als die Hüttenwirtinnen hierfür sage und schreibe 41 Euro abrufen. Mein von Verärgerung nicht gänzlich freier Hinweis, dass dies mit Blick auf die erbrachte Gegenleistung eine durchaus sportliche Preisgestaltung sei, wird mit dem Hinweis abgetan, dass alles "sehr nachhaltig" sei. Bei dem für die erforderlichen Zutaten ziemlich übersichtlichen Materialeinsatz liegt jedoch die Frage auf der Hand, wer hier am nachhaltigsten profitiert.
Nachtrag: Da es längere Zeit über kein Netz auf dem Karnischen Höhenweg gibt, erkundigte sich Houston Mission Control einen Tag später per Mail bei der Zollnerseehütte, ob ich dort gewesen sei. Die Antwort war, dass von mir keine Reservierung vorläge und ich auch nicht auf der Hütte sei. Jedoch hatte ich mich wie stets ins Hüttenbuch eingetragen, genau für solche Fälle.
Vielleicht sollten die Verantwortlichen der hüttenbesitzenden OeAV-Sektion Obergailtal-Lesachtal die Hüttenwirtinnen über die Aufgaben des Hüttenbuches und insbesondere dessen Funktion bei der Bergrettung instruieren, hier besteht offensichtlich dringender Nachholbedarf.
Glück des Tages: Der Morgen vor dem Bivacco
Gelaufen: 18,9 Kilometer
Bergauf: 751 Hm
Bergab: 914 Hm
Höchster Punkt: Nähe Trogkofelsattel (1.995m)
Übergänge: Rudnigsattel, Trogkofelsattel, Rattendorfer Sattel, Kordinsattel, Waidegger Sattel
Gipfel: Keine