Donnerstag, 25. August 2022

88. Tag: 20. August 2022 Massello - Ghigo di Prali

Auch das Frühstück ist hier in der Foresteria einfach umwerfend. Es gibt jede Menge Obst, leckeren Käse, Saft soviel man möchte, ordentliches Müsli und für jeden Gast ein Teilchen, das schon auf dem Teller liegt.
Heute steht eine eher entspannte Wanderetappe auf dem Programm. Ich denke, dass ich in guten fünf Stunden in Ghigo di Prali ankommen werde;  alpinistische Herausforderungen sind dabei nicht zu erwarten, es geht nur über zwei bewaldete Bergrücken hinweg. Außerdem kann ich heute einiges hier deponieren und mit leichtem Gepäck losmarschieren.
Auf Tipp des Seniorchefs wähle ich direkt hinter dem Albergo einen schönen Fußweg, der abseits der Straße direkt am Bach talauswärts führt. 
Wieder auf der Original- GTA komme ich bald durch das kleines Walserdorf Campo la Salza, in dem eine alte Schule liebevoll zu einem kleinen Museum hergerichtet ist, ein schönes Zeugnis der alten Walser Tradition. Angeblich waren die schulischen Bemühungen der Walser überaus erfolgreich, denn aus den Schülern des Tales gingen eine Vielzahl von Pastoren, Doktoren und ein Professor hervor.
Die GTA führt nun durch eine kleine Schlucht und immer am Bach entlang nach Didiero; ein reizendes kleines Dorf mit einer großen Musiktradition, fand hier doch über viele Jahre hinweg ein hochkarätiges Musikfestival statt. Daran erinnern heute noch viele Wandmalereien, die z.B John Lennon gewidmet sind.
Hinter dem Ort geht es in vielen Serpentinen eine Forststraße hinauf bis zum Colletto delle Fontane. Kurz vor dem Colletto kommt mir eine Herde Kühe entgegen, die mir zum Glück genug Platz lässt.
Kurz darauf etteiche ich den Colle di Serrevecchio, mit 1.721m der heutige Tageshöhepunkt. Hier mache ich etwas oberhalb sitzend eine Mittagspause mit Aussicht auf das Tal von Ghigo und die dahinterliegenden Berge. Auf den Schildern an der Passhöhe wird Schwarz auf Weiß die Idiotie respektive Inkompetenz der italienischen Wanderschild- Beschriftungen bewiesen: Zwei Schilder übereinander weisen auf den gleichen Weg nach Ghigo, mit total unterschiedlichen und über eine Stunde voneinander abweichenden Wegzeiten. 
Während ich etwas abseits pausiere, überholt mich ein Ehepaar, das ich gestern schon auf Entfernung gesehen hatte. 
Das nächste Dorf ist Rodoretto, zu dem man wieder hinabsteigen muss. Hier habe ich die beiden Wanderer eingeholt. Sie kommen aus Gießen und haben über viele Jahre etliche GTA- Etappen absolviert. Es tut gut, sich nach nun fast einer Woche ohne deutschsprachigen Kontakt wieder ohne Sprachbarrieren unterhalten zu können.
Gemeinsam steigen wir nun zum Colletto Galmund auf. Da sich Rodoretto und Ghigo früher einen Pfarrer teilen mussten, der auf diesem Weg zwischen den beiden Gemeindeteilen und -kirchen hin- und herging, hieß dieser Steig früher 'Der Weg der Pfarrer'. Durch Wald und am Ende einigen Wiesen geht es auf der anderen Seite schließlich nach Ghigo di Prali hinunter. 
Ghigo ist kein Ort, den man unbedingt gesehen haben muss. Viele zum Teil ein wenig heruntergekommene zwei- oder dreistöckige Häuser mit Ferienwohnungen scharen sich um einen Ortskern, der rund um einen zentralen Platz jedoch auch kaum Stellen bietet, an denen das Auge lange verweilen möchte. 
Ich bin einigermaßen froh, hier nicht zu übernachten, und gebe der Foresteria per Telefon Bescheid, dass ich angekommen bin.
Dann kaufe mir im örtlichen Alimentari Schokolade für die nächsten Tage und ein Bier, um die Wartezeit zu überbrücken.
Nach einer durch die Kurverei durch zwei Täler erstaunlich langen Fahrt wieder zurück in der Foresteria, erwartet mich eine freudige Überraschung: Heute ist Bernd angekommen. Er ist weiterhin einen Tag hinter mir unterwegs, und ich war mir ja beinahe sicher gewesen, dass wir uns noch einmal treffen. Wir sitzen natürlich zusammen beim Abendessen und tauschen uns über unsere Erlebnisse seit unserem letzten Beisammensein in Noasca aus. 
Es ist schön, wenn man jemanden trifft, mit dem man schon zusammen unterwegs war. So kann man die Phase des Kennenlernens gleich überspringen und zum gemütlich-persönlichen Teil übergehen und einfach quatschen.

Glück des Tages: Entspanntes Wandern mit leichtem Rucksack.

Gelaufen: 16,7 Kilometer
Bergauf: 901 Hm 
Bergab: 590 Hm  
Höchster Punkt: Colle di Serrevecchio (1.721m)
Übergänge: Colle di Serrevecchio
Gipfel: keine 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...