Heute erwartet mich und uns wieder normales GTA- Business: Einen Pass hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Besonderheit heute ist zum einen der sehr lange Aufstieg und zum anderen die technische Schwierigkeit des Abstiegs; der Rother- Wanderführer warnt hier ausdrücklich vor "einer der schwierigsten Etappen der GTA".
Nach einem guten Frühstück, zu dem maßgeblich ein dickes Stück Almkäse beitrug, verlassen wir das Albergo. Wir haben uns hier trotz der zum Teil geringschätzenden Kritiken im Internet wohl und gut aufgenommen gefühlt. Was wohl passiert, wenn das betagte Ehepaar den Gasthof nicht mehr führen kann?
Zunächst geht der Weg mit nur mäßiger Steigung durch Wiesen und lockeres Gehölz, vorbei an vereinzelten Häusern, zum Teil bewohnt, zum Teil verfallen.
Später passiere ich ein kleines Dorf und eine weitere uralte Bogenbrücke, jedoch deutlich kleiner als die in Fondo.
Entlang des Flusses nimmt dann die Steigung zu und führt uns zu den ersten Almen, wo ich die beiden Berliner einhole.
An einem Almstall bekommen wir eine Live- Vorführung praxis- aber kaum umweltgerechter Gülleentsorgung: Klappe auf, fließen lassen und hinterher mit Wasser nachspülen; der stinkende Bach plätschert derweil den Wanderweg entlang und ergießt sich erst nach gut 200 Metern schließlich eine Böschung hinunter bis mindestens in die Nähe des Flusses. Kann man so machen, wenn einem die Wasserqualität flussabwärts egal ist...
Wir steigen in den folgenden Stunden mühsam, langwierig und ereignislos über drei Almböden hinauf. Teilweise finden sich hier noch intakte Hütten. Fünf Stunden nach dem Aufbruch in Fondo erreichen wir endlich die Passhöhe der Boccette delle Oche.
Leider haben sich wieder dichte Wolken gebildet, die den Blick auf den Gran Paradiso verhindern. Auch das nähere Panorama ist nur eingeschränkt sichtbar, jedoch hat der Blick auf die wolkenumspielten Berge durchaus seine Reize.
Da dem Wetter nicht hundertprozentig zu trauen ist und für den späteren Nachmittag das Risiko von Schauern und Gewittern besteht, brechen wir bald auf. Bernd, der zuerst oben war, steigt auch als erstes wieder ab, wir folgen zehn Minuten später.
Laut dem Wanderführer ist nun verstärkt Trittsicherheit gefragt, da auf dem Steig durch den abschüssigen Wiesenhang nicht jedes Loch im Gras erkennbar sei. Jedoch haben wir in dieser Hinsicht Glück, denn der Weg wurde offenbar jüngst freigeschnitten; alle Hindernisse sind dadurch für uns erkennbar.
So kommen wir gut hinab bis zur zweiten Schwierigkeit des Abstiegs: Es gilt, ausgesetzte schräge Platten zu überqueren. Aber auch hier wurde die Schwierigkeit von dritter Seite verkleinert, denn gut angebrachte Sicherungsseile helfen uns über diese Problemzone hinweg.
Als wir schließlich unten im Talboden annähernd ebenes Terrain erreichen, freuen wir uns, diesen schwierigen Teil des Abstieges gut gepackt zu haben; aber irgendwie fragen wir uns doch, warum ausgerechnet diese Abstieg in der Literatur als so außerordentlich schwierig dargestellt wird.
Noch ein Stückchen weiter unten entdecken wir im Bett das rauschenden Talbaches einen kleinen Teich, der sich zwischen den Felsen gebildet hat. Da das schlechte Wetter weiterhin auf sich warten lässt und wir immer noch in der Sonne unterwegs sind, lassen wir diese Badegumpe natürlich nicht ungenutzt. Das Wasser ist zwar eisig kalt, aber wenn man sich dran gewöhnt hat, hält man schon länger als zwei Sekunden im Wasser aus.
Unterhalb unserer Badestelle bildet der Bach noch einmal eine kleine Schlucht, die es auf halber Höhe zu durch- beziehungsweise überqueren gilt, danach ist der Abstieg aber bald geschafft und wir stehen vor dem Häusern von Piamprato.
Unsere Unterkunft ist das Albergo Locanda Aquila Bianca, auf deren Terrasse wir erst einmal Platz für ein Feierabendbier nehmen.
Da es nicht genug freie Zimmer gibt, teile ich mir mit den Berlinern ein Mehrbettzimmer.
Die Zeit bis zum Abendessen vergeht wie im Flug. Das Essen ist dann guter Durchschnitt ohne besondere Highlights.
Morgen werden wir getrennte Wege gehen: Bernd nimmt eine Variante der GTA, die einen Tag länger dauert, die Berliner machen einen Pausentag und überspringen dabei mindestens eine Etappe, und ich werde die "normale" GTA- Route weitergehen.
Glück des Tages: Das Bad im eiskalten Wasser.
Gelaufen: 17,3 Kilometer
Bergauf: 1.320 Hm
Bergab: 844 Hm
Höchster Punkt: Boccetta delle Oche (2.417m)
Übergänge: Boccetta delle Oche
Gipfel: keine