Dienstag, 9. August 2022

71. Tag: 03. August 2022 Le Capanne - Fondo

Wir hatten zwar das Frühstück für 7 Uhr vereinbart, aber bis der Tisch im Zelt im Hof gedeckt und schließlich auch der Kaffee fertig ist wird es halb acht. 
Wir starten unabhängig voneinander, Bernd als erster, Hannes und Jan danach. Ich wollte vor dem Aufbruch noch einmal duschen und gehe als letzter los, habe die beiden Berliner jedoch bald vor mir in Sichtweite.
Ich gewinne auf den Almwegen schnell an Höhe, und am Ende eines kleinen Almfahrwegs habe ich die beiden eingeholt.
Wunderschön ist der Blick über das Aostatal hinweg, den das Gegenlicht der Morgensonne in eine leuchtende Unschärfe hüllt. Über dem von uns zu überschreitenden Kamm haben sich dagegen die ersten Wolken gebildet; eine Wolkenlage wie gestern.
Wir sind nun recht zügig oben am Colle di Pian Spergiurati; hier endet der Aufstieg vom Talgrund des Aostatals. Jenseits der Passhöhe ist trotz der Wolken ein Tiefblick ins nächste Tal möglich, der Weiterweg unter dem Kamm nach Nordwesten jedoch ein wenig verhüllt.
Während Hannes und Jan hier trotz des Windes pausieren, gehe ich weiter. Der Weg senkt sich in den Kessel der Alpe Chiaromonte, in dem neben den Almgebäuden etwas vorher auch das gleichnamige Rifugio steht. Dieses ist wohl schon lange geschlossen, nichts deutet bei diesem schmucklosen Natursteinbau auf irgendeine Art der Bewirtschaftung hin. Und das, obwohl das Rifugio bereits unten in Quincinetto auf einem Wegweiser stand. Auf der desolaten aber windgeschützten Bank vor dem Bau mache ich nun meine Pause, bis die Berliner wieder zu mir aufgeschlossen haben. Von hier an wird der Weg anspruchsvoll, und wir drei sind froh, ab hier gemeinsam weitergehen zu können.
Es gilt nun, auf einer schmalen und trotz guter Markierung manchmal kaum zu erkennenden Steigspur durch eine bemerkenswert abschüssige und dadurch ziemlich ausgesetzte Grasflanke zu queren. Das ist recht spektakulär, jeder Schritt erfordert hier Trittsicherheit und hohe Konzentration. Durch die Kombination von Ausgesetztheit und Wegebeschaffenheit vielleicht der anspruchsvollste Wegabschnitt meiner gesamten bisherigen Tour.
Im Tiefblick ins Tal ist bereits unser Zielort Fondo und seine Bogenbrücke erkennbar, jedoch so weit weg und tief unten, dass es nahezu unerreichbar wirkt.
Nach etwa einer Stunde haben wir diese schwierige Passage gemeistert, vor uns steht nun jedoch der keineswegs weniger komplex erscheinende Abstieg über einen kaum weniger steilen Gratrücken hinab ins Tal. Hier kommen wir an mehreren verlassenen und verfallenden Almhütten vorbei. Was muss das früher für eine entbehrungsreiche Anstrengung gewesen sein, diese Almen in der Einsamkeit dieses Steilhanges zu betreiben.
Unser Abstiegsweg ist glücklicherweise gut trassiert und damit vergleichsweise recht gut gangbar. Zudem ist die Markierung tadellos, so dass wir uns auch an zugewachsenen oder unübersichtlichen Stellen orientieren können. 
Ganz unten erreichen wir einen Fahrweg und müssen diesen in leichtem Gegenanstieg noch in ein Seitental hinein folgen, bis dessen Bach überquerbar ist, dann erreichen wir im hübschen Dorf Succinto wieder bewohntes Terrain.
Ganz haben wir es jedoch noch nicht geschafft, ein Fußweg etwas oberhalb des kleinen Flusses benötigt noch beinahe eine Dreiviertelstunde, bis wir endlich in Fondo ankommen.
Wunderschön überspannt hier eine mittelalterliche Bogenbrücke den Fluss.
Direkt daneben liegt die Trattoria del Ponte, in der wir übernachten. Zuerst jedoch feiern wir drei die Bewältigung dieser schweren Etappe mit einem Bier. Bernd, der als erster hier war, stößt kurz darauf zu unserer Runde dazu. Wir vier sind wieder die einzigen Übernachtungsgäste.
Ich schlafe zusammen mit Bernd in einem hinter dem Gasthof stehenden Häuschen mit eigenem modernsierten Bad; mein Zimmer ist offenbar das Jugendzimmer der Tochter mit vielen Sportpokalen, aber auch mit einem riesigen antik anmutenden Bett. Ein wenig skuril ist das Ambiente schon, aber sauber und für eine Nacht gut machbar.
Ich laufe dann noch ein wenig herum, schaue mir die Brücke von allen Seiten an und telefoniere mit daheim. Nach dem wieder mal üppigen Abendessen in netter 4er- Runde mit Rotwein und Genepy- Likör trägt mich die Bettschwere in meine Kammer.

Glück des Tages: Als wir die schwierige Passage im Steilen und den Abstieg gemeistert hatten.

Gelaufen: 15,5 Kilometer 
Bergauf: 881 Hm  
Bergab:  1.187 Hm   
Höchster Punkt: Nahe Rifugio Chiaromonte (2.057m)
Übergänge: Colle di Pian Spergiurati
Gipfel:  keine

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...