Montag, 8. August 2022

70. Tag: 02. August 2022 Trovinasse - Le Capanne

Es gab auf meiner ganzen bisherigen Tour keine Unterkunft, die ich so ungern verlasse wie das Belvedere in Trovinasse. Ich fühle mich hier in jeder Hinsicht total wohl: Die Gastfreundschaft von Simona ist überragend, die Aussicht macht dem Namen des Gasthofes alle Ehre, das Essen ist grandios, und die Zimmer und Betten total gemütlich.
Auch das Frühstück heute Morgen ist sagenhaft lecker und üppig: Müsli, Joghurt aus eigener Herstellung, Kuchen, Käse, eine Obstschale und ein Stück Apfelstrudel - es wären locker noch zwei Wanderer satt geworden.
Aber es hilft ja nichts, ich muss weiter.Heute verlasse ich die Walliser Alpen und wechsle in die Grajischen Alpen. Dafür muss ich ganz hinab ins Aostatal und auf der anderen Seite wieder hinauf. Wobei ich streng genommen weiterhin im Piemont bleibe: Quincinetto, die Ortschaft im Tal, die es zu durchqueren gilt, gehört noch zur Provinz Turin, die Autonome Provinz Aosta beginnt erst im nächsten Ort Pont St. Martin. 
Über einen schmalen Wanderweg erreiche ich Trovinasse, ein Mini- Dorf mit Kirche, die jedoch verschlossen ist.
Dann führt eine uralte Mulatteria mit kunstvoll arrangierten Steinen kilometer- und stundenlang bis ganz hinunter. Zwischendurch ergibt sich die ein oder andere Aussicht, aber im großen und ganzen geht es im Wald und im kühlen Schatten bergab.
Unten wandere ich ein kurzes Stück auf einem ebenso prominenten wie uralten Fernwanderweg: Der Via Francigena, Pilgerweg von Canterbury nach Rom.
Dann biegt die GTA wieder ab Richtung Quincinetto, überquert die schmutzig- graue Dora Baltea und leitet unter unter der Autostrada della Valle d'Aosta hindurch, die von Turin zum Mont Blanc- Tunnel verläuft. Diese führt auf einer Brücke fast mitten durch Quincinetto, eine Mautstelle wurde auch noch zwischen die Häuser gequetscht. 
Das Ortszentrum beweist, dass nicht jede italienische Ortschaft schön sein muss. Bemerkenswert ist allenfalls die Kirche, deren Innenraum jedoch erschreckend düster ist und noch dazu mit einer hässlichen PACE- Fahne verunziert wird.
Im örtlichen Alimentari kaufe ich mir einige Nektarinen, die ich irgendwo nahe der Kirche im Schatten genieße.
Dann beginnt der lange Aufstieg hinauf nach Le Capanne. Zunächst laufe ich durch die Weinberge hinauf bis zu einer hübschen Aussichtsstelle; hier ist es wegen der niedrigen Höhe des Aostatals quälend heiß. Der Weg wechselt nun in den Schatten und bringt mich in vielen Kehren hinauf bis zur Kirche von Santa Maria, immerhin schon fast 1.000 Meter hoch. Hier mache ich eine lange Pause und telefoniere mit Houston Mission Control.
Auch die letzten 500 Höhenmeter sind überwiegend schattig. An einem zu Wochenendhäusern ausgebauten Gehöft kann ich Wasser nachtanken, etwas später überrascht mich an einem großen Haus ein Berner Sennenhund- Welpe, der unbedingt ein paar Streicheleinheiten abbekommen möchte.
Schließlich hat der lange Aufstieg ein Ende und ich erreiche das Agroturismo Le Capanne.
Hier treffe ich endlich mal wieder auf Mitwanderer: Bernd aus Oberschwaben, der von Bludenz aus zum Mittelmeer unterwegs ist und nach kurzer Pause heute wieder einsteigt, und Hannes und sein Sohn Jan aus Berlin, die eine Woche GTA vor sich haben. Wie schon seit langem stelle ich mich vor als südlich von München wohnend aber aus Düsseldorf kommend; die landsmannschaftliche Heimat schlägt fern derselben um so stärker durch, und es erspart Rückfragen wegen meines unzweifelhaft rheinischen Zungenschlags.
Die Chefin fragt mich auf italienisch, ob ich "Camere" oder "Post Tappa" möchte, das heißt Zimmer oder Lager. Ich nehme  Zimmer und genieße Bettzeug, Dusche und Privatsphäre.
Das Abendessen ist lecker, der Rotwein auch; irgendwann nimmt jedoch die Müdigkeit überhand.

Glück des Tages: Das Aostatal ist durchquert, meine Route biegt nun nach Süden ab.

Gelaufen: 17,9 Kilometer 
Bergauf: 1.115 Hm  
Bergab:  1.142 Hm   
Höchster Punkt: Le Capanne (1.386m)
Übergänge: Dora Baltea (Fluss)
Gipfel:  keine

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...