Früher wurde vom Oberkaserhof in St. Martin im Kofel eine Übernachtungsmöglichkeit angeboten. Dies ist nach telefonischer Rücksprache nun nicht mehr möglich. Somit beginnt der Tag wieder bei booking.com mit einer Quartiersuche. Ich werde fündig in Goldrain bei Latsch; das liegt günstig für heute und morgen. Ich werde also zwei Nächte bleiben und für die Ab- und morgen Anreise zur Wanderung die Gondel nehmen.
Der heutige Aufstieg beginnt an der schluchtartigen Mündung des Schnalstals in den Vinschgau. "Schloss Juval" steht auf dem Wanderschild, hier wohnt Reinhold Messner; der ist jedoch gemäß eines Postings auf seiner Facebook-Seite gerade in Nepal.
Ich steige das steile Sträßchen hinauf, dessen Serpentinen sich durch steile Steige abkürzen lassen. Herrlich ist wieder der morgendliche Blick auf das Meer von Apfelbäumen und die Berge darüber.
Am Abzweig zum Stabener Waal biege ich von der Straße ab. Diesem folge ich jedoch nur kurz, dann die Beschilderung zum Vinschger Höhenweg schickt mich noch weiter hinauf. Am Sonnenhof mit seiner Jausenstation treffe ich auf den nächsthöheren Waal. Es ist der Schnalswaal, der in einem naturnahen Bett wie ein richtiger Bach den Hang entlang sprudelt.Hier macht das Wandern richtig Spaß, denn nach der Hitze des Aufstiegs kommt der Schatten gerade recht. Der Schnalser Waal gefällt mir wegen seiner natürlichen Anlage von allen bisher in Südtirol erkundeten Waalwegen am Besten, und er verläuft weitab der Geräusche der Zivilisation. Dass ich dabei minimal Höhe verliere, denn es geht ja Waal-abwärts, stört mich überhaupt nicht.
Eine genießerische Stunde geht es nun am Wasser entlang, dann weist ein Wegweiser nach rechts und aufwärts. Da an dieser Wegekreuzung auch ein schön angelegter Rastplatz liegt, mache ich noch einmal ausgiebig Pause bevor es wieder bergauf geht.
Ich hatte befürchtet, dass der weitere Aufstieg eine Hitzeschlacht werden könnte, immerhin verläuft die Route hier südexponiert an einem der heißesten Hänge der Alpen. Jedoch finden sich zum Glück einige Stellen, an denen der Weg im Schatten verläuft und es nicht ganz so heiß ist.
Jenseits des Tals rückt jetzt das Hasenöhrl prominent ins Panorama, höchster Berg im langen Grat zwischen Vinschgau und Ultental. Der Berg ist nicht ganz so hoch wie Ortler und Co, trug jedoch bei meiner letzten Alpenüberquerung 2015 noch einen stattlichen Gletscher; von diesem sind nunmehr leider nur noch Reste zu erkennen.
Nach einer Weile stoße ich auf eine schmale Forststraße und wandere auf ein Auto zu, dass dem Forstamt gehört. Drei Männer stehen daneben und machen gerade Zigarettenpause. Sie überprüfen die Brandschutzleitungen, erklären sie. Über den ganzen Hang ist zur Bekämpfung von Waldbränden ein Netz von Wasserleitungen und -schläuchen gelegt, das alle 14 Tage kontrolliert werden muss. Ob ich genügend Wasser dabei hätte, fragt mich der Älteste zum Abschied, mit der Hitze am Hang sei nicht zu spaßen, und es kommt nur noch ein Brunnen bis oben. Ja, kann ich ihn beruhigen, ich habe genug dabei.
Es wird nun tatsächlich richtig warm auf einem längeren Stück ohne Schatten, dann folgt eine steilere Passage in einem Waldstück, bis ich unterhalb der Hofschank Niedermair etwas flachere Wiesen und Weiden vor mir habe. Nun öffnet sich der Blick gegenüber ins Martelltal und auf die Eisriesen Cevedale und Palon de la Mare darüber. Ich habe überhaupt nicht damit gerechnet, dass ich heute schon Aussicht auf die hohen Gletscherberge habe, umso mehr begeistert mich dieser Anblick.
An dem gemütlichen Hofschank kehre ich ein. Zunächst sitze ich auf dem Balkon, platziere mich dann aber noch einmal um, da ein hochbetagter Mann am Nachbartisch sich mit einer solchen Lautstärke unterhält, dass man nicht weghören kann. Zum Glück ist heute alles frei, und ich kann nun in aller Ruhe meine leckeren Kasnockerln mit Salat genießen.
Oberhalb der Wirtschaft steht eine kleine Kapelle. Es ist immer wieder erstaunlich, dass sich solche Kleinodien irgendwo am Hang oder am Weg in der Einsamkeit finden.
Nach einer längeren Passage durch Lärchenwald läuft der Steig in einer Almstraße aus. Hier steht eine Aussichtsbank, und diese hält was sie verspricht: Beim Blick den Vinschgau hinunter Richtung Meran ragen doch tatsächlich ganz in der Ferne mehrere Dolomitenzacken über den Horizont. Es sind alte Bekannte: Die Spitzen der Geißlergruppe, unter denen ich auf dem Adolf- Munkel- Weg unterwegs war, und dahinter der Piz de Lavarella, höchster Punkt der Felsmauer über dem Heiligkreuz- Hospiz. Welch eine unerwartete freudige Überraschung.
So schön der Blick zurück war, so zäh wird nun die letzte Wanderstunde auf der Straße. Seit dem langen Asphalthatscher von Bozen nach Lana schmerzt mein rechter Knöchel, und das kommt jetzt richtig durch.
Aber irgendwann ist es geschafft, das Dörfchen St. Peter im Kofel mit seiner Kirche kommt ins Blickfeld.
Bis Goldrain ist es von dort aus nur eine Station mit der Vinschgaubahn, und der Goldrainer Hof liegt direkt neben der Station.
Houston Mission Control hat mir ein ruhiges Zimmer hinten raus beschafft, und tatsächlich blicke ich vom Balkon aus auf jede Menge Apfelbäume.
Zum Abendessen gehe ich in die Pizzeria im Haus, und zum Abschluss genieße ich noch ein FORST aus der Dose auf meinem Balkon.
Glück des Tages: Dass ich noch einmal auf die Dolomiten schauen konnte, und es dann auch noch wohlbekannte Berge waren.
Gelaufen: 16,1 Kilometer
Bergauf: 1.352 Hm
Bergab: 207 Hm
Höchster Punkt: Kurz vor St. Martin im Kofel (1.769m)
Übergänge: keine
Gipfel: keine