So ganz alleine in dem großen Haus, seinen leeren Fluren und dem altmodischen Interieur hat etwas von Steven Kings THE SHINING. Trotzdem habe ich gut und etwas länger geschlafen. Überhaupt will ich es heute ganz ruhig angehen, ganz relaxed die zweieinhalb Stunden zum Habsburghaus hinüberschlendern und dort entspannt den Nachmittag verbringen. Die Hütte habe geöffnet, versichert mir der nepalesische Koch, er sei am Wochenende dort gewesen.
Ich frühstücke wieder mit Stefan, und wieder genießen wir den phantastischen Ausblick aus dem Speiseraum. Vor allem der Nebel, der aus dem Mürztal über den Semmering ins Wiener Becken fließt sieht von hier oben spektakulär aus.
Als ich vor die Tür in den sonnigen Tag trete, ist gerade von der Seilbahn her eine Schulklasse angekommen. Die Lehrerin ist für ihren Mut nur zu bewundern, mit 25 Kindern in die Berge zu gehen.
Ich lasse die benachbarten Gipfel aus, meine Wanderung führt mich stattdessen lange über eine durch Latschen führende Schotterstraße bis zur Neuen Seehütte, wo sich der Blick Richtung Steiermark öffnet.
Danach wandere ich auf einem schönen Steig hinauf zum Trinksteinsattel. Hier steht die winzige Hans Nemecek Rettungsdiensthütte, in deren Windschatten ich ausgiebig Pause mache. Die Aussicht ist herrlich: Die Hohe Veitsch und der Hochschwab, meine geplanten Ziele für in ein paar Tagen, dahinter der Dachstein; im Norden überragt der Ötscher seine Umgebung, und zum Schneeberg im Osten muss ich mich nun umdrehen.
Hinter dem Sattel kommt bald das noch entfernte Habsburghaus in Sicht.
Irgendjemand hat das herrlich gelegene Haus die "Akropolis der Rax" genannt, zumindest in der Erhabenheit der Lage könnte man da wirklich eine Ähnlichkeit sehen.
Eine Fahne weht nicht, Leute sieht man auch keine; ich mache mir trotzdem keine Gedanken, am Otto-Schutzhaus gestern war auch niemand zu sehen, Ruhetag war gestern, und das im Internet angegebene "im Juni geöffnet" sollte am 1. Juni auch kein Problem sein.
Vor der Hütte ist noch eine Wand aus Altschnee zu erklimmen, dann sehe ich in der Hütte ein offenes Fenster und Leute auf der Hüttenterrasse.
Vier Frauen und ein Mann mit Habsburghaus- T-Shirt sitzen dort in lustiger Runde. Ich grüße, gehe zum Hütteneingang hinüber - hier steht ein Schild "Ab 1. Juni ist offen" - und marschiere hinein. "Was ich wünsche" fragt der T-Shirt- Mann, der mir gefolgt ist, "die Hütte ist zu." Aber draußen steht doch ab 1. Juni geöffnet, meine ich. "Klar, aber das ist morgen." Oh je, mir schwant dass meine Erholung schon so gut fortgeschritten ist, dass ich das Datum nicht mehr weiß. Was tun? "Zum Übernachten gehst Du am Besten rüber zum Karl Ludwig-Haus, das sind nur anderthalb Stunden." "Shit, ich will doch morgen zum Schneealpenhaus, das ist doch dann die falsche Richtung." Vor dem geistigen Auge gehe ich schon die morgigen Weg-Alternativen durch, alle nicht rosig. "Bist Du ein Fernwanderer?" fragt er dann. "Ja", antworte ich, „vor einer Woche in Wien gestartet, und auf dem Weg nach Monaco." Da ändert sich sein Gesichtsausdruck. "Ah Monaco, das liebe ich sehr, da habe ich tolle Zeiten verbracht. Weißt was, Du bleibst da. Es ist zwar noch nichts gerichtet zum Essen, aber irgendwas wird gehen. Aber nichts erwarten." Ein Gefühl der Erleichterung durchströmt mich, "Hauptsache ich kann bleiben und heute hier schlafen." "Ich bin der Roli. Stell Deine Sachen hin und komm mit raus" So sitze ich eine Minute später mit am Tisch auf der Terrasse.
Auch als die Damen gegangen sind sitzen wir noch länger dort. Er zeigt mir einige seiner mega- leckeren Schnäpse und weiht mich ein in ein paar Geschichten von der Rax, zum Beispiel von der Bäuerin der Alm nebenan, die 28 Jahre nicht die Alm verlassen hat und nie im Tal war, aber kaum dass sie pensioniert war und in einer Wohnung lebte gestorben sei.
"Zu meiner Hütte läuft man drei Stunden," meint er, "das siebt das Publikum und es bleiben fast nur nette Gäste übrig, die zu mir kommen."
Es ist ein herrlicher Nachmittag, und wir gehen erst rein als es zuzieht und wieder einmal ungemütlicher Wind aufkommt. Zeit, den Ofen anzumachen, welch Kontrast zum kalten Otto- Schutzhaus gestern.
Später wollen wir die Materialseilbahn ausräumen, die sein Koch unten bepackt hat, in der halbstündigen Wartezeit auf die Gondel sitzen wir wieder in der Sonne im Windschatten der Seilbahnstation und schauen bei einem Weißbier hinüber zur Schneealpe, da will ich morgen rüber. "Dem Wirt vom Schneealpenhaus bringst Du ein Packerl Würstl mit und bestellst einen schönen Gruß von mir." Mache ich gerne.
Am Abend ist dann auch der Koch und ein Helfer eingetroffen, in aller Ruhe werden noch ein paar Vorbereitungen für den Start morgen getroffen.
Roli und der Koch werden bis Ende November hier heroben sein, dann machen sie die Hütte wieder zu und der Kreis schließt sich.
Glück des Tages: Die herzliche Aufnahme im Habsburghaus
Gelaufen: 6,5 Kilometer
Bergauf: 365 Hm
Bergab: 236 Hm
Höchster Punkt: Trinksteinsattel 1.894m
Übergänge: Trinksteinsattel