Sonntag, 26. Juni 2022

27. Tag: 20. Juni 2022 Rif. Nordio Deffar - Eggeralm

Allein im 4er-Lager - wer weiß, wie lange ich diesen Luxus noch haben werde.
Das Frühstück scheint zunächst typisch karg wie ich es von den Hütten des italienischen Alpenvereins CAI aus den Dolomiten kenne: In Folie abgepackter Zwieback, dazu abgepackte Marmelade und Nutella. Dann stellt mir die Wirtin noch ein Stück Schokoladenkuchen, getoastetes Brot und einen Apfel auf den Tisch - so ist es wunderbar.
Von der Hütte geht es kurz eine Schotterstraße hinauf, und nach 200 Metern bin ich wieder in Österreich. An der Dolinza Alm trete ich aus dem Wald. Hier bimmeln die Kuhglocken, diesen zu den Alpen gehörenden Hintergrundsound hatte ich gestern an der Achomitzer Alm das erste Mal gehört, vorher auf meiner Tour waren die Almen noch nicht beschickt. Ansonsten wirkt das kleine Almdorf wie ausgestorben, und das Wirtshaus scheint noch im Winterschlaf zu sein.Hier treffe ich auch auf den Südalpenweg Bad Radkersburg- Silian und die rote VIA ALPINA, beide verlaufen deckungsgleich mit dem Karnischen Höhenweg, also auf meiner Route.
An einem Brunnen fülle ich die Wasserflaschen auf und beginne den schattigen Aufstieg zum Starhandsattel, der mich die kommende Dreiviertelstunde beschäftigt. Auf halber Höhe führt der Weg wieder in die Sonne, auf der Wiese blüht der Almenrausch in vollen Zügen. Drei Wanderer kommen mir entgegen, bis kurz vor der Eggeralm werden es wieder einmal die einzigen Kollegen bleiben.
Oben angekommen zweigt ein kleiner Weg zum Gipfel des Starhand ab, verliert sich dann aber in einer Wiese, auf der einige Kühe zu passieren sind. Am oberen Ende der Wiese wähne ich mich auf dem felsigen Steig hinauf, dieser verliert sich dann aber in zunehmend komplexer werdenden Felsen. Getreu dem Motto 'Wo du nicht richtig bist da bist du falsch' steige ich wieder hinunter auf die Wiese und entdecke an einer ganz anderen Stelle den Gipfelzugang. Zehn Minuten später bin ich oben am winzigen Gipfelkreuz. Dort mache ich ausgiebig Pause und genieße das Panorama. Wieder sind die Julischen Alpen atemberaubend; neben dem wuchtigen Mangart ist auch der Triglav, der höchste Berg Sloweniens, etwas zurückliegend, gut zu erkennen. Aber auch in alle anderen Richtungen ist der Ausblick herrlich; nur Richtung Alpenhauptkamm wachsen schon jetzt die für dort im Wetterbericht angekündigten Wolkentürme in den Himmel.
Nach einer halben Stunde steige ich wieder ab und folge einer Almstraße zur Hüttenansammlung der Görtschacher Alm. An einem Holzzaun pflegt eine ältere Frau die kleine Wiese vor ihrer Hütte. Ihre wäre die älteste Hütte der Alm. Sie genießt die totale Ruhe hier oben, ganz anders als im Dorf unten im Tal. Sehr wenige Wanderer seien heuer unterwegs, meint sie, außer den Dreien, die mir entgegenkamen, habe sie heute noch niemanden gesehen.
Nun muss ich tief hinabsteigen ins Tal des Kesselwandgrabens, erst auf einer Almstraße, dann auf einem spannenden Waldweg.
Unten geht es über zwei Bäche und direkt wieder bergauf, zunächst erneut durch Wald. Hier liegen mehrere umgestürzte Bäume auf dem Weg, unter denen man sich hindurchzwängen muss; nach dem Dritten habe ich das Gefühl in einem Limbo-Wettbewerb zu sein.
Dann ist auf einmal gar kein Baum mehr da, ein ganzer Hang ist abgeholzt, und der Weg bahnt sich als manchmal kaum erkennbare Spur den Weg durch diese Zone; die Natur hat den plötzlichen Lichteinfall zu einer Vegetationsexplosion genutzt, die Pflanzen stehen zum Teil hüfthoch, Bienen und andere Insekten freuen sich über Blüten aller Art.
Auf einer weiteren, diesmal geteerten Straße schlendere ich an den Hütten der Dellacher Alm vorbei, noch eine Stunde bis zur Eggeralm.
Neben dem flachen Eggeralm- See stehen an die hundert Kühe auf, neben, vor und hinter dem Wanderpfad, man muss sich quasi wie in einem Western einen Weg quer durch die Kühe bahnen, nur ohne Pferd.
Dann habe ich schließlich die Eggeralm erreicht, das größte der hier hintereinander wie auf einer Perlenschnur liegenden Almdörfer. 
Diese haben ihre eigene Geschichte: Im 14. Jahrhundert traf das Gailtal eine Katastrophe fast biblischen Ausmaßes, als ein Erdbeben einen Felssturz auslöste, der sieben Dörfer verschüttete und die Gail kilometerweit aufstaute, so dass der Talgrund nicht mehr bewohnbar war. Die Bewohner mussten auf ihre Almen ausweichen, die so zu eigenen Dörfern wurden.
Auf der Eggeralm gibt es zwei Gasthäuser mit Übernachtungsmöglichkeit. Die Wahl fällt leicht: Die Wirtschaft "Zum Rudi" hat Ruhetag, das erklärt meine vergeblichen Anrufe zur Bettenreservierung gestern. Die "Alte Käserei" hat dagegen geöffnet, der Laden brummt, die Terrasse ist knallevoll.
"Klar kannst Du hier übernachten" klingt wie Musik in meinen Ohren, eine große Apfelschorle ist danach genauso schnell geordert wie getrunken.
Ich bekomme ein Doppelzimmer für mich, eine Dusche gibt es auch, damit sind die Grundbedürfnisse gestillt. Aus dem Fenster kann ich die Kühe sehen, die zwischen den Almhütten, also mitten im "Dorf", grasen. 
Zum Abendessen esse ich eine phantastische Käsesuppe, danach Kasspatzen, die leider ziemlich angebraten sind. Währenddessen kommen drei Wanderer ins Dorf und lassen sich auch hier vor der Gaststätte nieder. Sie sehen so aus, als wenn sie eine größere Tour machen, ich tippe auf die VIA ALPINA.
Später setze ich mich zu ihnen. Es sind Gerhard, Thomas und Benedikt aus Klagenfurt, sie wollen den Karnischen in einer Woche machen. Wir sind uns auf Anhieb sympathisch und verabreden uns morgen zum Frühstück.
Am Abend geht dann noch ein gewittriger Schauer nieder, danach leuchtet die Sonne wieder als wäre nichts gewesen.

Glück des Tages: Heute einfach mal schlendern 

Gelaufen: 17,3 Kilometer 
Bergauf: 806 Hm
Bergab: 804 Hm
Höchster Punkt: Starhand (1.965m)
Übergänge: Dolinza Alm/ Lomsattel, Starhandsattel
Gipfel: Starhand

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...