Sonntag, 26. Juni 2022

26. Tag: 19. Juni 2022 Tarvisio - Rif. Nordio Deffar

Das Hotelbett war eine wahre Wohltat. Endlich konnte ich mal wieder richtig, tief und durch schlafen.

Erwartungsgemäß gibt es in diesem guten Haus am Sonntag das Frühstück erst ab 8 Uhr. Dafür umfasst dies dann auch ganz hotelmäßig ein umfangreiches Buffet, das von mehreren Sorten Kuchen bis zu frischen Kirschen reicht; Müsli und den üblichen Käse kann ich so heute auslassen.
Leider verschiebt sich so auch der heutige Start entsprechend nach hinten, auf halb 10. Als ich auf die Straße trete, läuten die Kirchenglocken, sehr stimmungsvoll.


Zunächst habe ich einige Kilometer im Tal zurückzulegen, bis ich in die Berge abbiegen kann. Also marschiere ich wieder auf der Alpe- Adria- Rad-"Autobahn". Es ist schon jetzt ziemlich heiß, trotzdem sind hier jede Menge Radfahrer unterwegs. Und offenbar sind in der Radsportnation Italien E-Bikes verpönt oder werden kaum genutzt, denn sie sind selten; so radeln Dutzende in der Hitze by fair means. Und viele grüßen mich freundlich, obwohl ich hier auf dem Radweg höchstens halblegal unterwegs bin. Wenn man so eine Stunde in der prallen Sonne dahintrottet, kann man schöne Beobachtungsreihen durchführen:
Erstens: Grüßt der erste Radler einer Gruppe nicht, so ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die anderen der Gruppe auch nicht grüßen, selbst wenn sie das Verhalten des ersten nicht sehen konnten, und umgekehrt. Zweitens: Ein einzelner Radrennfahrer grüßt immer.
Drittens: E-Biker grüßen niemals.In Camporosso kann ich den Talgrund endlich verlassen. An der Dorfkirche mit an der Mauer angebrachten herzergreifenden Dankestafeln für verstorbene Pfarrer wandere ich vorbei, dann wird es am Dorfausgang ernst beziehungsweise steil. Hier beginnt für mich die Überschreitung der Karnischen Alpen.Im Wanderführer für diesen Wegabschnitt steht, dass mich nun "ein ungewöhnlich steiler geröllreicher Forstweg" erwartet. Dies erweist sich als nette Untertreibung: Dieses Schottersträßchen ist so dermaßen abartig steil, dass man schon als Wanderer beinahe Probleme mit der Schwerkraft bekommt. Zudem ist es so geschickt trassiert, dass ich, obwohl es durch dichten Wald geht, permanent in der Sonne laufen muss.Diese 600 Höhenmeter sind mit das Anstrengendste und Schweißtreibendste, was ich auf meiner Tour bislang erlebt habe.
Nach fast drei Stunden geht die Straße an einem einsamen aussichtsreichen Almhaus endlich in einen Steig über, der nun durchweg Schatten bietet. Dadurch ist es auf einmal deutlich weniger anstrengend.Kurz vor der Achomitzer Alm komme ich endlich aus dem Wald, nun geht es eben weiter entlang zweier runder Hügelkuppen, die entfernt an das Teletubby- Land erinnern. Unmittelbar vor dem Almgebäude überquere ich die Grenze nach Österreich, worauf ausschließlich von österreichischer Seite aus hingewiesen wird.
Genau auf der Grenze stehen zwei Wegweiser, einer italienisch, einer österreichisch.Hier bietet sich ein Traumblick auf die Julischen Alpen jenseits des Tals, diese Berge sind immer wieder großartig. Leider hat hier die Almwirtschaft zu. 
Also wandere ich entlang der Staatsgrenze gleich weiter zur nächsten Alm, die Feistritzer Alm, die jenseits eines kleinen Sattels liegt.
Auf gleicher Höhe vis-à-vis steht die Kapelle Maria Schnee, dort hinauf geht der letzte Aufstieg des Tages. Das kleine Gotteshaus ist sehr schlicht und besteht innen nur aus dem Altar und zwei Stühlen - nichtsdestotrotz sehr beeindruckend in der Schlichtheit.
Kurz dahinter liegt schließlich die Feistritzer Alm. Eigentlich ein richtiges Almdorf, mit wunderschönem Blick auf das untere Gailtal Richtung Villach und den Dobratsch mit seiner Fernsehantenne gegenüber. Der Wind pfeift über die wie in einem Windkanal im Übergang zwischen zwei Bergen liegenden Häuser. Hier hat das Wirtshaus geöffnet, und ich gleiche meinen von der Hitze gezeichneten Flüssigkeitshaushalt aus mit einer Cola und einem gleich dazu bestellten Radler.
Ein - so meine Vermutung- weiterer Fernwanderer sitzt mit mir auf der Terrasse, wir haben jedoch keinen Kontakt.
Direkt hinter dem Zaun der Wirtschaft bin ich schon wieder in Italien. Und: Ab hier bin ich auf dem Karnischen Höhenweg unterwegs.
Bis zu meinem Etappenziel geht es jetzt auf einem Waldweg ein bewaldetes Tal hinunter, bis ich nach einer guten halben Stunde das im Talgrund liegende Rifugio Nordio Deffar erreiche. Die Hütte des italienischen Alpenvereins CAI wurde vor einigen Jahren neu an dieser gebaut, nachdem der einen Kilometer talwärts liegende Vorgängerbau von einer Überschwemmung zerstört wurde.
Schon am Eingang zur Terrasse werde ich von dem Hüttenwirtspaar begrüßt. Sie spricht deutsch, was bereits bei der telefonischen Reservierung hilfreich war. Ich bin der einzige Gast, die Saison begänne erst im Juli richtig, erklärt sie mir.
So habe ich ein 4er Lager mit Etagenbetten für mich, kann mich ausbreiten und ungestört duschen.
Zum Abendessen gibt es als Spezialität des Hauses "Pasta Carnica", Nudeln mit Wurststücken und herzhafter Soße, mega lecker. Dass ich in Italien bin, merke ich unter anderem auch an der Größe der Gläser: Ein "großes Bier" hat nicht mehr 0,5 Liter, sondern nur noch 0,4, kostet aber das gleiche.
Nach den Strapazen und der Hitze der letzten Tage werde ich morgen die lange 10 Stunden- Etappe zum Nassfeld teilen und schon auf der Eggeralm übernachten. So habe ich morgen nur eine Halbtagestour vor mir. Auf die ruhigere Wanderung freue ich mich richtig.

Glück des Tages: An der Achomitzer Alm zu spüren, dass ich endlich oben war.

Gelaufen: 18,1 Kilometer
Bergauf: 1.128 Hm
Bergab: 477 Hm
Höchster Punkt:  Kapelle Maria Schnee (1.750m)
Übergänge: Feistritzer Alm/ Sella Bistrizza
Gipfel: Keine

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...