Dienstag, 21. Juni 2022

25. Tag: 18. Juni 2022 Krajnska Gora - Tarvisio

Die Nacht war furchtbar. Im Zimmer war das Rollo kaputt, dadurch wurde es wegen der Straßenlaterne vor dem Fenster nicht richtig dunkel. Dann benutzte ein Pärchen aus Polen kurz vor Mitternacht noch die Gemeinschaftsdusche, und um 6 Uhr machten sich die Jungs aus dem Bergischen startklar. Meine Schlafzeit dazwischen war überschaubar...
Um kurz nach sieben bin auch ich startklar, esse den Rest der Melone von gestern Abend und starte die heutige Tour. Der Morgen ist herrlich frisch. 
Auf dem Weg zum Supermarkt für den Frühstückseinkauf komme ich an der Feuerwache vorbei. Der Wagenpark steht auf der Straße, und es wird offensichtlich ein Feuerwehrfest vorbereitet. Ich fotografiere die Fahrzeuge für meinen Kleinen, dann wandere ich weiter durch den sympathischen Ort. Es gibt ein richtiges Zentrum, ganz anders als viele der üblichen Retorten- Skiorte. Im Supermarkt zu Füßen der Skilifte ist schon ordentlich was los, daneben ist die Post mit einem Geldautomaten, so sind die Grundbedürfnisse abgehakt.
Dieser Tag wird nun ausgesprochen Eisenbahn- lastig. Nicht weil es so viele Züge zu sehen gibt - einige schon, davon später mehr - , sondern weil ich heute über recht viele Kilometer stillgelegten Strecken folge, auf denen bestens ausgebaute Radwege verlaufen.
Den Anfang macht die ehemalige Kronprinz Rudolf- Bahn, welche zu k. und k.-Zeiten Ljubljana mit Tarvisio und Norditalien verband. Bis 1956 gab es noch einen Verkehr zwischen dem damaligen Jugoslawien und Tarvisio, dann wurde die Strecke demontiert; gleiches geschah 1966 mit dem gesamten restlichen Bahnverkehr im Tal. Manches ist noch heute zu erkennen, zum Beispiel ehemalige Bahnhofsgebäude wie die in Podkoren oder in Ratece. Gegenüber ersterem Bahnhof finde ich eine Bank zum frühstücken.
Viele Radler sind auf dem bequemen Radweg unterwegs, sportliche Fahrer, Familien mit Kindern, Rentnergruppen; zum Glück ist genug Platz für uns alle.
Nach einigen Kilometern passiere ich die Einfahrt nach Planica - die dort im Tal liegenden Skischanzen hätte ich mir gerne angeschaut -, dann hat mein Ausflug nach Slowenien schon wieder sein Ende: Ich überquere am unauffälligen im Tal gelegenen Weißenfelspass die Grenze nach Italien.
Das erste Highlight Italiens auf meiner Route kommt kurz darauf: Die Weißenfelser Seen, die "Juwelen der Julischen Alpen", zu denen ich die Talroute verlassen und einige Kilometer Umweg auslaufen muss. Aber die Mühe lohnt sich: Gerade der Untere Weißenfelser See ist mit seiner Weltklasse- Kulisse einer der schönsten der Alpen, er könnte in Kanada liegen, hier könnte Karl Mays DER SCHATZ IM SILBERSEE spielen.
Jetzt am Vormittag ist es noch nicht so voll hier, und der erst allmählich aufkommende Wind verhagelt einem noch nicht die Spiegelung. Gerne würde ich auch Baden gehen, aber es sind einfach zu viele Leute, um sein Hab und Gut hier währenddessen liegen zu lassen. Am Oberen See, zu dem ich anschließend hinaufsteige, ist es deutlich ruhiger, und ich finde tatsächlich einen vom Weg ein wenig abgelegenen Uferstreifen, an dem ich kurz in das kalte Wasser hüpfen kann.
Über eine lange Forststraße gelange ich danach vom oberen See aus wieder auf die Eisenbahn- Radlerstrecke. 
Dieser muss ich nun noch achteinhalb Kilometer in der Hitze bis nach Tarvisio folgen; Alternativen hierzu gibt es keine.

Eine veritable Talbrücke der alten Bahn ist dabei zu überqueren, an einer Stelle sind alte Schienen sichtbar, dann hört man schon bald die Geräusche der Autobahn Villach- Udine, ich habe also das Tal von Tarvisio erreicht.
Direkt am Wegesrand liegt der neue Bahnhof von Tarvisio. Den muss ich auf jeden Fall in Augenschein nehmen, außerdem winkt dort die Aussicht auf ein Kaltgetränk und eine Rast im Schatten, mit Blick auf echtes Bahngeschehen. 
Nachdem ich mir eine Cola am Automaten gezogen habe, setzte ich mich auf eine kühle Bank an Gleis 1. In der nächsten Dreiviertelstunde kommen fünf Züge durch, eine für einen Samstag ordentliche Ausbeute.
In Höhe des alten stillgelegten Bahnhofs von Tarvisio trifft mein Radweg auf den Alpe Adria- Radweg, der auf der alten Hauptstrecke Wien- Villach- Venedig verläuft und Tarvisio wie eine Autobahn durchquert. Bei seinem Bau wurde einiges an Infrastruktur der Bahn noch erhalten, zum Beispiel alte Brücken, oder Gebäude und Bahnsteig des ehemaligen Bahnhofs Tarvisio Citta.
Unterhalb diesem decke ich mich bei EUROSPAR für mein Abendessen ein, denn auf alleine Ausgehen habe ich keine Lust. Dann steht noch ein finaler Kilometer durch das reizlose Städtchen bis hin zu meinem Hotel an. Irgendwann hat auch dieser Marsch ein Ende, und ich checke im Hotel "Valle Verde" ein. Der Empfang ist ziemlich reserviert, vielleicht sind verschwitzte und nicht unbedingt porentief rein duftende Wanderer auf der Durchreise nicht das höchstangesehene Klientel in diesem 3 Sterne- Haus. 
Mein Hotelzimmer werde ich heute nicht mehr verlassen. Zunächst steht die tägliche Routine an, eine freundlich angefragte Nutzung einer Waschmaschine im Hotel war leider "impossibile"; diesmal ergänzt um die durch die Badezimmerausstattung angebotene Möglichkeit zur intensiven Fußkühlung.
Bei der Bierauswahl im Supermarkt gab es eine willkommene Überraschung: FORST-Bier aus Südtirol. Damit beschließe ich nun diesen Tag.

Glück des Tages: Der Blick auf den Unteren Weißenfelser See 

Gelaufen: 31,9 Kilometer 
Bergauf: 350 Hm
Bergab: 387 Hm
Höchster Punkt: Oberer Weißenfelser See (888m)
Übergänge: Weißenfelspass, Slizza (Fluss)
Gipfel: Keine

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...