KORREKTUR 24. Tag
24. Tag: 17. Juni 2022 Altfinkenstein - Krajnska Gora
Nach den letzten beiden Wandertagen im weitgehend voralpinen Geläuf soll es heute wieder richtig bergauf gehen: Es steht die Überquerung des Karawankenkamms nach Slowenien auf dem Programm.
Aus dem der Ruine zu Füßen liegenden Dorf heraus führt der Alpe Adria-Steig über taunasse Wiesen und an einem Rotwildgatter vorbei, dessen Bewohner mich skeptisch anschauen, zum eine Geländestufe höher liegenden Gasthof Baumgartner. Hier lasse ich den Trail nach links wegschwenken und schlage den direkten Aufstieg zum Malestinger Mittagskogel ein, zweieinhalb Stunden werden dafür angesetzt.
Es ist unglaublich schwül heute, mir läuft der Schweiß in Strömen. Sicherheitshalber schaue ich noch einmal in den Wetterbericht: Gewitter werden für heute jedoch nicht gemeldet.
Nach einer Aufstiegsstunde im Wald mache ich eine Pause, das Wetter schafft mich heute. Auch mein bisher seit Wien an allen Tagen treues Merinohemd kapituliert und wird klitschnass an den Rucksack gehängt.
Durch schattigen Wald wandere ich bergan. Dieser Weg nimmt sich kaum Zeit für Kehren und zieht zügig hinauf. Läge er in der Sonne, wäre er unter den heutigen Bedingungen für mich fast schon schwierig.
An einer Quelle holt mich eine junge Frau mit großem Rucksack ein. Zunächst hatte ich sie auch für eine Fernwanderin gehalten, dann fällt mir der außen angehängte Helm auf. Beim Flaschenfüllen kommen wir ins Gespräch. Sie würde heute oben auf den angekündigten Nordwind warten und dann bis daheim hinunterfliegen. Kommt der Wind nicht, steigt sie ganz normal wieder ab. "Aber schön wäre es schon" lächelt sie verschmitzt bevor sie wieder aufbricht.
An einer Felskante öffnet sich der Blick hinunter auf Villach, dahinter die Nockberge und die Hohen Tauern; wieder ist die Hochalmspitze gut zu erkennen, natürlich eine ganz andere Seite als noch vor einer knappen Woche von der Saualpe aus.
Ein gutes Stück später habe ich den Sattel erreicht, wo ich wieder auf den von links kommenden Alpe Adria-Trail stoße, der auf dem Grat verlaufend einen Gipfel "mitgenommen" hat. "Grenze" steht auf einem kleinen Schild, das am Wanderwegezeichen angebracht ist, und tatsächlich steht zwei Meter dahinter ein Grenzstein, der auf einer Seite mit "Ö", auf der anderen Seite mit "RS" beschrieben ist. Hier endet Österreich, eine echte Wegmarke auf meiner Tour, denn wenn alles glatt läuft habe ich bis auf ein paar Almen und Hütten auf dem Grenzkamm der Karnischen Alpen unser Nachbarland nun durchquert.
Zum westlich des Sattels genau auf dem Grenzgrat liegenden Malestinger Mittagskogel ist es nur ein kurzes Stück hinauf. Am höchsten Punkt angekommen ist zu erkennen, dass man zum Gipfelkreuz jenseits wieder ein gutes Stück absteigen müsste. Das spare ich mir, die Aussicht ist auch von hier aus überragend: Wörthersee und Faaker See, unten die Burgruine, dazu Villach, Tauern und Karawanken, ein Zug fährt die Faaker Strecke entlang - einfach schön. Ganz schemenhaft zeigen sich im fernen Dunst sogar die Saualpe und die Seetaler Alpen, ich kann so fast die ganze letzte Wanderwoche überblicken.
Die Sicht nach Slowenien wird durch Bäume verdeckt, diesen Knalleffekt hebt sich der Alpe Adria-Trail für später auf.
Wieder zurück am Grenzstein von vorhin quere ich nun nach Slowenien hinüber. Dort werde ich von einigen saftigen Almböden und einer laut blökenden Schafherde empfangen, bevor sich auf einem kleinen Felsriegel der Blick nach Süden öffnet. Der Blick auf die steilen Felswände der Julischen Alpen gegenüber raubt mir fast dem Atem. Schroff, majestätisch und spektakulär, dieses Panorama stellt selbst den bisher auf meiner Tour konkurrenzlosen Hochschwab in den Schatten und hält jedem Vergleich mit den Dolomiten stand.
Es folgt ein mit vielen Lärchen bewachsenes und trotzdem in der Mittagshitze flirrendes Kar, an dessen Ende der Weg kurz ansteigt in den nächsten Sattel. Dort ist der Ausblick nun auch nach Südwest offen und präsentiert weitere Gipfel und Wände dieser schroffen Bergwelt. Hier haben sich vier Wanderer aus Wien zur Pause niedergelassen. Sie gehen den Alpe Adria-Trail in mehreren Abschnitten mit dem Ziel, in Triest anzukommen, bevor der letzte von ihnen in Pension sein wird. Wir blödeln ein wenig herum. "Was erwartet Dich in Monaco?" Ich antworte: "Im ersten Bondfilm mit Timothy Dalton sitzt eine gelangweilte Schönheit auf ihrer Jacht und wartet auf einen 'richtigen Mann', dann schwebt Bond per Fallschirm herein. So in der Art komme ich in Monaco an." Allgemeine Heiterkeit.
Die lustigen Vier brechen bald auf, ich folge ihnen etwas später auf einem steilen Pfad, der bald in einen groben Almfahrweg übergeht. Immer weiter und fast durchweg steil führt dieser im Grunde eines tief eingeschnittenen V-Tals hinab; der Abstieg auf den groben Steinen der Fahrspur erfordert bei jedem Schritt Konzentration und ist enorm anstrengend.
Schon ziemlich weit unten treffe ich die Wiener wieder, die am Bach im Schatten pausiert haben und sich eben zum Weitermarsch erheben. Ich nutze diesen schönen Platz am plätschernden Bach auch zum Rasten.
Ausgerechnet hier fehlt nun ein Wanderzeichen, um auf die scharf nach rechts führende Straße zu leiten; bislang war die slowenische Seite des Alpe Adria-Trails perfekt beschildert, hier ist nun aber Orientierungsvermögen gefragt. Aber schon 200m weiter steht dann wieder ein Wanderschild, das nach Krajnska Gora weist und anderthalb Stunden als Zeit angibt.
Gemütlich geht es nun am Hang entlang bergab durch Wiesen und Waldstücke, bis ich schließlich ganz unten an einer Brücke über den Talfluss Sava Dolinca gelange. Körperlich und geistig schon voll darauf eingestellt, nun den Rest der Strecke auf einer langweiligen Straße abzulaufen, haben die Wegeverantwortlichen für diesen Abschnitt des Alpe Adria-Trails noch ein Zuckerl in petto: Es geht auf schmalem spannendem Steig über Stock, Stein und Wurzeln immer am Fluss entlang. Noch einmal ist volle Konzentration gefragt, was nach so einem langen Tag durchaus fordernd ist.
Mit Google Maps finde ich meine Unterkunft schnell. Das über Booking.com gebuchte Zimmer im Haus von Apartment Banic erweist sich als sehr einfach; für eine Nacht ist es ok, ich bin aber doch froh, dass ich hier nicht meinen Ruhetag verbringen muss.
Bei einer abendlichen Runde durch das hübsche Städtchen und zum Supermarkt für die Beschaffung des Abendessens treffe ich noch einmal die Wiener wieder, die die gelungene Etappe bei einem Bier beschließen.
Im Supermarkt erweist sich die Sprache als kleines Hindernis. Slowenisch ist so gut wie nicht zu verstehen oder aus anderen Sprachen abzuleiten, ich kann mich nur an den aufgedruckten Bildern orientieren. So entscheide ich mich für Thunfischsalat und Slowenische Käsenudeln die ich in der Gemeinschaftsküche meiner Unterkunft koche. Hier treffe ich meine Zimmernachbarn, zwei Studenten aus dem Bergischen Land. Gemeinsame rheinische Heimat und Zungenschlag schaffen spontane Verbundenheit, und wir verbringen anderthalb schöne Stunden in der Küche, ganz wie im Studentenwohnheim.
Glück des Tages: Mehr noch als die Freude über den ersten Grenzübertritt der atemberaubende Blick auf die Julischen Alpen
Gelaufen: 16,6 Kilometer
Bergauf: 1.226 Hm
Bergab: 1.218 Hm
Höchster Punkt: Malestinger Mittagskogel (1.823m)
Übergänge: Namenloser Übergang über die Karawanken zwischen Malestinger Mittagskogel und Schwarzkogel
Gipfel: Malestinger Mittagskogel