Donnerstag, 16. Juni 2022

21. Tag: 14. Juni 2022 Mittertrixen - Klagenfurt

Nach einem fürstlichen Frühstücksbuffet muss ich erst einmal wieder auf meine Wanderroute zurückkommen, da ich ja gestern gezwungenermaßen Richtung Völkermarkt ausweichen musste. 
Zum Glück hält der Bus vor dem Gasthof und bringt mich in knapp 10 Minuten ein gutes Stück Richtung Brückl. Zudem lässt mich der Fahrer freundlicherweise auch ohne Haltestelle direkt an der Abbiegung meiner Wanderstrecke raus; "Wir sind hier ja nicht in Wien, wo man sowas strenger sieht" kommentiert er meinen Dank lakonisch. 
Heute lacht die Sonne und es ist jetzt schon ein heißer Tag. Gleichwohl gibt der Wetterbericht jedoch für den Fronleichnams- Donnerstag eine Gewitterwarnung. An dem Tag plane ich eigentlich über die Karawanken nach Krajnska Gora zu gehen und dort dann einen Ruhetag einzulegen. Einer spontanen Idee folgend rufe ich beim Gasthof in Finkenstein an, ob ich statt einer Übernachtung auch zwei Nächte bleiben kann. Ja, lautet die Antwort; perfekt so kann ich den  vermeintlichen Schlechtwettertag aussitzen und gehe erst am Freitag nach Slowenien.
Die ersten Kilometer heute wandere ich im Tal der Gurk auf dem Norischen Panoramaweg bis nach St. Filippen. Ich komme unterwegs mit einer Frau ins Gespräch, die vor ihrem Hof ihr Pferd versorgt, ein freundlicher Kontakt unterwegs, manchmal wie Balsam für einen Alleinwanderer.
Der steile Aufstieg zum Christophberg, hier treffe ich dann wieder auf den Kärntner Mariazellerweg, verläuft zum Glück weitgehend im Schatten, unterwegs kann ich sogar an einem Wasserhahn meine Getränke nachfüllen. Oben habe ich dann einen ersten Überblick über den Rest der heutigen Etappe: Klagenfurt ist gut zu sehen, ein Stückerl ist es aber noch. In der zur Kirche zugehörigen Gaststätte wird schon das erste Mittagessen ausgegeben, mir ist es um 20 nach 11 aber noch zu früh für eine Pause. Kurz darauf steht dann "5 Stunden" nach Klagenfurt angeschrieben, eine wie sich zeigen wird überaus optimistische Kalkulation.
Durch schattigen Wald geht es nun auf den Magdalensberg zu, dessen Gipfelkirche und die Sonnenschirme der dortigen Gaststätte eine geradezu magnetische Anziehung ausüben. 
An diesem Berg haben schon die Kelten gesiedelt; in römischer Zeit war hier ein zentraler Handelsplatz, bei Ausgrabungen wurden Tempel, Repräsentationsgebäude, ein Badehaus und etliche Handels-, Werkstätten- und Wohnhäuser gefunden. Am Museum der Ausgrabungen komme ich beim Aufstieg direkt vorbei, allein mir fehlt die Zeit für einen Besuch.
Eine Stunde später bin ich oben, mit 1.059m der höchste Punkt heute. 
Auf der Panoramaterrasse finde ich einen Platz mit Klagenfurt- und Karawankensicht, in meinem Rücken geht der Blick über den Saualpenkamm bis zurück zum Zirbitzkogel.
Leider nicht so genial wie der Ausblick ist der bestellte Kuchen, sehr schade, und auch die Kirche präsentiert sich eher schlicht.
Also gehe ich weiter, immer dem Mariazeller Weg folgend.
Beim Abstieg komme ich an der Villa von Udo Jürgens vorbei, danach geht es über schattige Wege nach Ottmanach. Hier gibt es als Überraschung für Wanderer und Pilger eine Erfrischungsstation mit Kühlschrank zur Selbstbedienung. Eine Wohltat, ich genieße die kalte Cola in vollen Zügen.
Ab jetzt hat der Schatten ersteinmal ein Ende, es folgt der Weiterweg über gänzlich unalpines Terrain durch Felder und Wiesen. Nur die inzwischen nahen Karawanken zeigen, dass ich weiterhin irgendwie doch im Gebirge unterwegs bin.
So vergeht der Nachmittag, Stunde um Stunde marschiere ich auf dem Mariazeller Weg dahin, einmal muss ich eine kurze Ehrenrunde drehen, da ich irgendwo einen Abzweig verpasst habe. In einem Waldstück vor Maria Saal endet dann plötzlich die ansonsten tadellose Markierung: Großflächige Forstarbeiten haben alles umgepflügt. Hier ist wieder das GPS gefragt, um den Weiterweg zu finden.
Um halb sechs stehe ich vor dem Dom von Maria Saal. Seit dem "Klagenfurt 5 Stunden"- Schild sind also bereits sechs Stunden vergangen, und ich bin trotz der kurzen Kuchenpause wahrlich nicht langsam unterwegs gewesen. Laut einem Wegzeichen sollen es nun noch weitere anderthalb Stunden bis in die Kärntner Hauptstadt sein; die Beschilderung wirft Fragen auf...
Ich nehme mir natürlich trotzdem die Zeit für eine Kurzbesichtigung des Doms; zehn Minuten als ausgepowerter Wanderer alleine in völliger Stille in diesem spätgotischen Meisterwerk sind ein ganz eigenes besonderes Erlebnis.
Auf zum Endspurt. Fast ausschließlich durch Wald verlaufen die letzten Tageskilometer. Eine vierköpfige Frauenpilgergruppe kommt mir noch entgegen, und ich unterbreche eine Rehgeiß auf ihrem Abendspaziergang, dann kann ich an einem Weinberg endlich auf Klagenfurt heruntersehen. 
Praktischerweise komme ich direkt an einem BILLA- Markt vorbei und kann mich so für das Abendessen verproviantieren, dann nehme ich die SBahn ins Stadtzentrum.
Das Hotel erreiche ich um 10 nach acht. Freundlicherweise  macht die junge Rezeptionistin Überstunden und wartet auf mich, eigentlich wäre für sie um 20 Uhr Dienstschluss gewesen.
Nach diesem langem Tag ist dann sogar der Fußweg zwischen Dusche und Bett anstrengend.

Glück des Tages: Die freundliche Frau an der Rezeption des Hotels Liebetegger, die sich telefonisch bei Houston Mission Control erkundigte, ob ich noch kommen werde, und dann auch auf mich wartete.

Gelaufen: 37,6 Kilometer 
Bergauf: 1.030 Hm
Bergab: 1.046 Hm
Höchster Punkt: Magdalensberg (1.059m)
Übergänge: Gurk (Fluss)
Gipfel: Christophberg, Magdalensberg

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...