So freundlich der Empfang im Hotel gestern Abend war, so unerholsam war die Nacht. Unglücklicherweise lag mein Zimmer zur Straße raus, und dort war die ganze Nacht unüberhörbarer Verkehr.
Entsprechend gezeichnet sitze ich beim Frühstück und eruiere die Möglichkeiten, vom Hotel aus zum Anleger am Wörthersee zu gelangen. Die Möglichkeit, dieses herrliche Alpengewässer per Schiff zu bereisen, möchte ich mir nicht entgehen lassen.
Eine Busfahrt mit Umstieg am Heiligengeistplatz später habe ich auf einer Bank am See Platz genommen. Das Wasser leuchtet in der Sonne, kleine Wellen plätschern - Urlaubsgefühl pur.
Um 10 Uhr startet dann die Dampfertour, die mich einmal über den See bis nach Velden bringt. Nach dem Gewaltmarsch gestern ist diese entschleunigende Schifffahrt wie ein Urlaub im Urlaub.
Die Ruhe hat jedoch ihr Ende beim Anlegen in Velden. Das direkt am Anleger stehende "Hotel am Wörthersee" wird mindestens genauso oft fotografiert wie Elvis' Graceland in Memphis, und die Roy Black- Büste daneben noch öfter. Bei den Selfies scheinen viele jegliche Contenance zu verlieren, es ist kaum zu glauben.
Die ufernahe Zone des Ortes ist das absolute Gegenteil von ruhigem Understatement: Menschenmassen bewegen sich zur Mittagszeit im engen Bereich zwischen Cafes, grellen Eisdielen, vergilbten Hotels, Trachtenstudios und Immobilienmaklern. Überhaupt erweist sich Velden als erstaunlich urban; ich bin froh, dass ich für zwei Stationen noch den Bus nehmen und die Wanderung erst am Ortsrand beginnen kann.
Hier stoße ich auf einen neuen Fernwanderweg, den Alpe Adria-Trail (in Gedanken füge ich als Bänker dem Weg stets ein Hypo vorn an).
In einem abwechslungsreichen Waldgebiet geht es nun nach Süden. Leider entspricht die Markierung hier in keiner Weise dem Standard eines so dominant beworbenen Wanderwegs. Ich verlaufe mich mehrfach an ungekennzeichneten Abzweigungen; ohne detaillierte Wegbeschreibung oder den GPS- Track zur Hand ist man hier als Wanderer verloren.
Ich gelange schließlich doch hinunter zur Drau, einer der ganz großen Flüsse auf meinem Weg. Träge und türkis fließt sie dahin, die Karawanken dahinter, ein schönes Bild.
Die Freude über das Erreichen des Flusses wird jedoch bald durch den Verlauf des Weiterwegs getrübt, der sich als schattenlose und weitgehend gerade Schotterpiste auf dem Uferdeich entpuppt, die von schlechtgelaunten grußlos passierenden E-Bikern bevölkert ist.
An der Brücke in Graschitz hat diese kilometerlange Tortour ein Ende. Ich überquere die Drau und werde wenige hundert Meter weiter am Dorfrand von Bogenfeld von einem Erdbeer- Verkaufsstand angelockt. Leider sind die gepflückten Früchte schon abverkauft, und zum Selbstpflücken fehlt mir die Zeit. Zum Glück wartet nach Erklimmen der Anhöhe hinauf zum Faaker See ein BILLA am Straßenrand, bei dem ich dann doch ein Erdbeerschälchen „Meins“ nennen kann.
Zum schönsten Picknickplatz des Tages sind es von dort aus nur ein paar Schritte: Das Egger Marterl mit wunderschönem Blick auf den Faaker See und die Berge, besser kann man nicht rasten und Erdbeeren essen.
Anschließend führt mich der Alpe Adria- Trail nach Drobolach und zum See hinunter, dessen Uferbereich jedoch komplett verbaut ist. Zäune, Absperrungen und jede Menge Verbotsschilder zeigen an, dass hier eigentlich jeder unerwünscht ist; handtuchschmale Privatstrände, hohe Hecken, spießige Pensionen - schön ist in dieser Urlaubshölle allein der Bergblick.
Zügig lasse ich den Ort hinter mir, durchquere ein größeres Waldstück und gelange nach Faak am See, das deutlich freundlicher und einladender wirkt als der Nachbarort.
Am Bahnhof der Karawankenbahn werfe ich einen Blick auf den Fahrplan, ob demnächst etwas interessantes vorbeirollt: Ein Schnellzug aus Kroatien soll in einer halben Stunde durchkomnen; das hört sich spannend an und ich mache die zweite Pause heute. Leider raubt mir nach einiger Zeit eine Lautsprecherdurchsage die Vorfreude: Der Zug hat dreißig Minuten Verspätung.
So schultere ich wieder den Rucksack und beginne den heutigen Schlussabschnitt hinauf zur schon weithin auf einer Anhöhe zu Füßen der hohen Berge sichtbaren Burgruine Finkenstein; wobei sichtbar ist vor allem der große Baukran, denn die Freilichtbühne der Ruine wird derzeit aufwendig umgebaut.
Während des Aufstiegs auf einem schönen Waldpfad beginnt es in der Ferne zu donnern, und kühler Wind kommt auf. Ich beschleunige den Schritt und komme pünktlich mit den ersten Regentropfen am Gasthof Ruinenstüberl an. Hier nimmt mich Maria, die Chefin, herzlich in Empfang. Mein Einzelzimmer für zwei Nächte hat ein schönes Badezimmer mit großer Dusche, genau wie man es nach einem heißen Wandertag braucht.
Beim Abendessen sitze ich neben Mario, er ist einer der verantwortlichen Arbeiter der Ruinen- bzw. Bühnenbaustelle. Er bietet mir an, eine kurze Privatführung durch die Baustelle zu geben. So ein Angebot nehme ich natürlich gerne an. Einen Regenschauer einschließlich Regenbogen warten wir noch ab, dann gehen wir los.
Es ist zum einen faszinierend zu sehen, in welchem Umfang die Freilichtbühne saniert und modernen Anforderungen angepasst wird. Zum anderen ist der Ausblick von hier oben unglaublich: Der Faaker See von oben, unmittelbar im Rücken die Karawanken, uns zu Füßen rollt ein Güterzug vorbei, und über dem Dobratsch geht die Sonne unter - spektakulär.
Noch ist hier oben alles Baustelle im Rohbaustatus: Offene Fundamente, Baugerüste, unfertiger Innenausbau.
Der sichtbare Stand der Arbeiten lässt kaum vermuten, dass der Zeitplan überaus ambitioniert ist: Am 1. Juli eröffnet Gloria Gaynor die umgebaute Arena. Und wenn die Abendstimmung so herrlich ist wie heute, wird dies ein phantastisches Konzert.
Glück des Tages: Die private Besichtigung der Freilichtbühne und der atemberaubende abendliche Ausblick von oben. Mario meinte, ich wäre wahrscheinlich der erste Fremde, der hier durchgeführt wird.
Gelaufen: 19,1 Kilometer
Bergauf: 518 Hm
Bergab: 206 Hm
Höchster Punkt: Burgruine Finkenstein (858m)
Übergänge: Wörthersee, Drau (Fluss)
Gipfel: Keine