Samstag, 11. Juni 2022

17. Tag: 10. Juni 2022 Judenburg - Alpengasthof Sabathy

Was ist von einer Schutzhütte zu halten, die im Internet zwei Telefonnummern angibt, von denen man bei der einen auf die andere verwiesen wird, bei der dann ein Anrufbeantworter Rückrufwünsche annimmt, die jedoch nicht erfolgen?
So ging es mir seit gestern beim Zirbitzkogel- Schutzhaus. Es war schlicht und ergreifend nicht in Erfahrung zu bringen, ob die laut Homepage "ab Juni geöffnete" Hütte heute tatsächlich auf hat oder ob notfalls der Winterraum ohne Schlüssel zugänglich ist. Ein Unding, wie ich finde, auch vor dem Hintergrund, dass angabegemäß "der Hüttenwirt gerne telefonische Auskünfte gibt" und zudem die Hütte so höhenmäßig exponiert steht, dass nach einem langen vergeblichen Aufstieg ein Notabstieg kaum noch möglich wäre.
Sei es wie es sei, es musste eine Alternative her, und sie fand sich nach längerer Suche im für Kurzfrist- Buchungen etwas preisintensiverem Alpengasthof Sabathy, etwa zweieinhalb Stunden unter dem Zirbitzkogel gelegen. Aber so habe ich wenigstens eine halbwegs günstig gelegene Übernachtungsmöglichkeit.
Ich komme heute morgen irgendwie nicht in die Gänge, frühstücke lange und ausgiebig und verlasse erst gegen 10 Uhr das Hotel.
Am Eingang einer Gasse nebenan finde ich ein Wegzeichen des Eisenwurzenweges, meine Fernwander- Route für die kommenden Tage, biege hier ein und habe Judenburg nach kaum 5 Minuten verlassen. Einige Stationen eines Planetenweges nehme ich noch mit, dann biegt der Weg ab in den Wald, danach sind zwei Kilometer eines kleinen Sträßchens abzulaufen.
In einer Serpentine wird es schließlich ernst in Form eines Steiges, dessen Markierungsqualität in reziprokem Verhältnis zum Schnitt des Bewuchses auf, neben und über dem Weg steht. Ich kämpfe mich durch diese grüne Hölle bergan, manchmal sieht man gar nicht wo man hintritt. Als der Steig schließlich aus dem Wald auf eine Wiese kommt liegen Judenburg und das Murtal schon weit zurück.
Die Wege durch die nächsten Waldstücke werden offenbar besser unterhalten, trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, dass die Anzahl der Wanderer, die diese Route ex Judenburg nimmt, wohl ziemlich überschaubar ist. 
Das denkt sich auch ein Schmalreh, das mich auf vielleicht 50 Meter Entfernung überrascht beäugt, bevor es sich ohne jede Hast verdrückt.
Es geht weiter bergauf unter einer Telefonleitung entlang, bis ich wieder auf eine Straße treffe. Rechts machen gelbe Schilder auf sich aufmerksam: Auf dieser Straßenseite beginnt der Truppenübungsplatz Seetaleralpe, der mich kurz darauf auch "offiziell" begrüßt.
Am Scheitelpunkt der Straße ist das Militär dann auch akustisch präsent, denn nun ist jede Menge Schießlärm zu hören in Einzel- und Dauerfeuer. Eine Infotafel mit Blinklicht zeigt an, wo heute geschossen wird und ob Wanderwege gesperrt sind. Mein Weiterweg ist vom heutigen "Scharfschießen" nicht betroffen.
Einen Straßenkilometer weiter kann ich die Bundesheer- Infrastruktur für meine Mittagspause nutzen: Ich setze mich in den Park der Soldatenkirche, in dem das idyllische Plätschern der Brunnen beinahe den Gefechtslärm übertönt.
Die Schmelz, eine Gebäudeansammlung kurz darauf, scheint das Herzstück des Truppenübungsplatzes zu sein, hier findet sich die Standortverwaltung, ein Sprenggarten und, last but not least, das Offizierskasino.
Hier zweigt auch die Fahrstraße zum Gasthof Sabathy ab und würde mich in einer Dreiviertelstunde dorthin bringen. Ich habe jedoch keine Lust auf den Asphalt- Hatsch und möchte zudem noch den Winterleitensee sehen, auch wenn das länger dauert. Also wandere ich geradeaus, weiter bergan, und stoße im Wald auf die Winterleiten- Naturrodelbahn. Es ist ein witziges Gefühl, zwischen den Holzbegrenzungen zu laufen, wo mir im Winter ein Rodelschlitten entgegenkäme; unweigerlich kommt mir die grandiose Bobbahn-  Sequenz aus dem Bondfilm FOR YOUR EYES ONLY in den Sinn.
Der Winterleitensee liegt idyllisch vor dem wolkenverhangenen Zirbitzkogel. Ich bin froh, diesen "Umweg" gegangen zu sein, zumal ich bei dem stark bewölkten Himmel den Uferstreifen für mich alleine habe und in aller Stille genießen kann.
Eine Stunde ist es noch bis zum Gasthof Sabathy, und es wird die schönste Stunde des Tages: Auf stets gleicher Höhe bleibend führt dieser Steig angenehm trassiert aber nicht langweilig  am Hang entlang, erst durch Bergwald, dann über Almwiesen, überall hat man beste Aussicht.
Hier sind die Kühe bereits auf den Wiesen, sie stehen auch auf dem Weg und schauen mich mit großen Augen an, als ich mich an ihnen vorbei zwänge.
Oberhalb vom Gasthof Sabathy gelange ich auf eine weitere große Wiese, beim kurzen Abstieg kommt endlich auch die Sonne heraus.
Der Gasthof ist unerwartet. konventionell, ich weiß auch nicht genau was ich erwartet hatte, und der Empfang durch die Chefin recht unterkühlt. Ich habe ein sehr kleines Doppelzimmer - egal, ich bleibe ja nur für eine Nacht -, Dusche und WC sind auf dem Gang. Dafür ist das Drei Gänge-Menü sehr lecker. Zudem ist es zu meiner großen Überraschung bereits im Übernachtungspreis inkludiert. Guten Appetit!

Glück des Tages: Der Höhenweg vom Winterleitensee zum Sabathy 

Gelaufen: 20,3 Kilometer 
Bergauf: 1.230 Hm
Bergab: 374 Hm
Höchster Punkt: Winterleitensee (1.782m)
Übergänge: keine

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...