"Kein Plan überlebt den Kontakt mit dem Feind" lautet einer der Merksätze des großen Clausewitz. Ich hatte hohe Pläne für den Weiterweg von Kalwang beziehungsweise Mautern: Über das Hochreichart- Schutzhaus und das Brandstättertörl sollte mein Weg gehen, jenseits auf den Richtung Kärnten führenden Eisenwurzen- Fernwanderweg einbiegen und weiter über Ingering nach Judenburg führen. Leider kehrt heute kurzzeitig der Winter zurück in die Berge mit viel Niederschlag, starkem Wind und einem Sinken der Schneefallgrenze auf unter 2.000 Meter.
Das muss ich mir nicht antun, von der mangelnden Ausrüstung für den Winterkampf ganz zu schweigen, und auf einen oder gegebenenfalls zwei weitere Ruhetage habe ich auch keine Lust. Also muss ein Plan B her, und ich fand ihn gestern in Form des niedrigeren Übergangs über die Seckauer Tauern am Ochsenbodensattel.
Nach dem Frühstück in der wie aus einer anderen Zeit entstammenden Gaststube gehe ich zur Bushaltestelle hinüber. Pünktlich fängt es an zu regnen. Ich komme mit einem rüstigen Seniorenehepaar ins Gespräch. Ihre Tochter sei auch mal von Wien nach Kärnten gewandert, am anstrengendsten seien die vielen Asphalt- Kilometer innerhalb Wiens gewesen. Da erinnere ich mich gerne an die Straßenbahn hinaus nach Rodaun.
Es gießt nun in Strömen. Also bleibe ich noch drei Kilometer länger im Bus sitzen - diese hätte ich sowieso entlang der Bundesstraße laufen müssen - und lasse mich noch bis Kammern fahren. Hier wird nun unter dem Tor des Friedhofseingangs Regenschutz angelegt, den ich 200 Meter weiter im Schutz des Bahnhofswartehäuschens noch optimiere.
Dann gibt es keine Ausflüchte mehr und ich stürze mich in die erste Regenetappe der Tour. Hinter einer Autobahnunterführung beginnt eine Forststraße, die in langgezogenem Zickzack den Berg hinaufführt. Stoisch spule ich nun diese zwei Stunden ab, in stetig nachlassender akustischer Untermalung durch die Schnellstraße. Der Regen stört dabei deutlich weniger als der böige Wind, für den mein Poncho wie ein Segel wirkt. Trotzdem bleibt die Laune insgesamt gut, genau wie bei der Frauenwandergruppe, die mir unterwegs entgegenkommt; danach werde ich bis ins Murtal keinen Menschen mehr sehen.
Ziemlich weit oben kann ich die breite Forststraße für eine Weile verlassen, was den Weg merklich unterhaltsamer macht.
Schon in der Nähe der Weiglmoaralm, sie markiert in etwa den heutigen Scheitelpunkt, kann ich erstmals ins wolkenverhangene Murtal hinunterschauen. Dann stellt sich mir unterhalb des Ochsenbodensattels ein ernstzunehmendes Hindernis in den Weg: Eine vom Regen klatschnasse Wiese ist zu queren, die dünne Wegspur ist zwischen den langen Gräsern kaum zu erkennen. Das hält die beste Imprägnierung nicht aus, wenn ich da durch bin habe ich nasse Füße. Was tun? Zum Glück habe ich seit dem SPAR in Neuberg zwei Plastikbeutel für Obst im Rucksack; die binde ich mir um die Schuhe und komme so im wahrsten Sinne des Wortes trockenen Fußes durch die Wiese.
Die Weiglmoaralm ist nicht bewirtschaftet, ich würde auch ungern den Poncho ausziehen, bin ich doch trotz der guten Durchlüftung ziemlich geschwitzt.
Direkt hinter der Alm beginnt der Abstieg, der mich erst auf einer Almstraße und dann auf einem schönen Steig zur Pfaffenthaler Alm führt. Auf diesem Wegstück hört es tatsächlich auf zu regnen.
An der Pfaffenthaler Alm angekommen findet sich ein Brunnen mit Getränken gegen Spende zur Selbstbedienung, aus dem ich mir ein Radler fische.
Frisch gestärkt nehme ich die Almstraße bergab, die bald an weiteren Almen und mehreren Gehöften vorbeiführt und immer breiter wird. Durch den engen Preßnitzgraben gelange ich schließlich nach Preßnitz im Talboden der Mur.
Hier ist der alpinistische Zeil der Etappe endgültig vorbei, und ich schlendere ohne Poncho entlang der Südbahn Wien - Villach und der Murtal- Schnellstraße gen Südwest.
In Krabath an der Mur beginnt meine linke Wade zu verkrampfen, außerdem habe ich mir fest vorgenommen, auf meiner Tour nicht selbstkasteiungsmäßig durch Industriegebiete oder öde Siedlungsflächen zu wandern oder entlang von Autobahnen. Deshalb besteige ich im örtlichen Bahnhof die Steiermark- SBahn und sehe während der Drei-Stationen-Fahrt nach Judenburg das dicht besiedelte und industrialisierte Murtal nur durch das Fenster.
In Judenburg angekommen wartet dann doch noch eine kleine bergsteigerische Herausforderung auf mich, denn der Bahnhof liegt tief im Tal, während die Stadt auf einer Anhöhe darüber liegt. Viele Treppenstufen später stehe ich am hübschen Marktplatz. Mein von außen kaum attraktives "Stadthotel Schwerterbräu" liegt kurz dahinter, bietet gleichwohl das im Internet angezeigte hübsche Großraumzimmer mit Blick auf die Altstadt.
Nachdem die frustrierende Übernachtungssuche für morgen mit Hilfe von Houston Mission Control daheim doch noch zu einem zufriedenstellenden Ende gekommen ist, kaufe ich mir das Abendessen wieder beim SPAR. Zum Einschlafen gibt es dann den John Wayne- Western DIE UNBESIEGTEN auf Youtube.
Glück des Tages: Wenn der Regen aufhört...
Gelaufen: 18,1 Kilometer
Bergauf: 639 Hm
Bergab: 715 Hm
Höchster Punkt: Ochsenbodensattel (1.211m)
Übergänge: Liesing (Fluss), Ochsenbodensattel, Mur (Fluss)