Freitag, 1. Juli 2022

33. Tag: 26. Juni 2022 Heretriegel - Sexten

Der kräftige Wind, der am Abend noch die Zeltplanen und Seile zum Flattern gebracht hatte, war irgendwann abgeflaut. So war es eine sehr ruhige Nacht, und ich habe richtig gut geschlafen, einzig unterbrochen von gelegentlichen Checks, ob ich vielleicht doch nach unten gerutscht bin. 
Mit dem ersten Hellwerden sind wir wieder auf den Beinen. Die Berge sind herrlich klar, und auch der Großglockner, der sich gestern noch in Wolken und Nebel gehüllt hatte, ist jetzt klar und deutlich zu sehen. 
Wir frühstücken im Stehen, Benedikt lässt mich wieder von seinem Müslivorrat partizipieren, und wir können uns gar nicht satt sehen an diesem Panorama. 
Gerade als wir fertig sind, kommt Rene vorbei. Er ist sehr zeitig an der Porzehütte aufgebrochen und hat das Frühstück ausgelassen. Sein Ziel ist die Zsigmondy-Hütte in den Dolomiten, eine echte Hammerdistanz bis dahin, und er bricht nach herzlicher Verabschiedung denn auch bald wieder auf.
Wir packen die Zelte und den Übernachtungskram zusammen und folgen ihm eine halbe Stunde später.
Die Filmoor -Standschützenhütte ist bereits gut zu erkennen, jedoch müssen wir zu ihr erst einmal am Hang entlang oberhalb des Unteren in Richtung des Oberen Stuckensees absteigen, bis wir an dessen Ufer den Wiederaufstieg beginnen können.
Die kleine Standschützenhütte hat erst seit eine guten Woche geöffnet. Wir bestellen das zweite Frühstück: Gemüsesuppe sowie alkoholfreies Gösser, das wir uns aus dem Brunnen der Hütte fischen, und setzen uns dann mit Blick auf den Heretriegel; so schauen wir quasi vom Ess- ins Schlafzimmer. 
Der Name der Hütte erinnert an die Lesachtaler Standschützen die hier oben am Filmoor- Joch im 1. Weltkrieg gekämpft hatten. Die Tiroler Standschützen waren eine Art Miliz aus militärisch unausgebildeten Bauern, die an vielen Stellen statt regulärer Truppen die Stellungen der Alpenfront gegen Italien hielten.
Früher habe es auf der Hütte gespukt, erzählt Benedikt, das habe erst aufgehört, als der damalige Hüttenwirt ein Bild der Standschützen aufgehängt hat, die hier gekämpft haben. Dann war der Spuk vorbei. Das Bild hängt heute noch im Gastraum.
Gerhard und Thomas haben komischerweise leider nicht auf uns gewartet und sind weitermarschiert. Sehr schade, so kann ich mich nicht mehr von den beiden verabschieden.
Auch für Benedikt und mich kommt jetzt der Augenblick des Abschieds. Er wandert weiter die letzte Etappe des Karnischen Höhenwegs bis zur Sillianer Hütte, ich werde hier Richtung Sexten absteigen. Ich danke Dir und Euch herzlich; es waren schöne und erfüllte Tage, der Karnische Höhenweg wäre ein anderer gewesen ohne Euch.
Und auch Tschüss Karnischer Höhenweg; du warst der erwartet harte Brocken.
Oben am Filmoorjoch zu Füßen des mächtigen Kinigat verlasse ich Österreich endgültig. Vor ziemlich genau einem Monat ging es in Wien los, jetzt habe ich die Alpenrepublik durchquert. Sehr schön wars.
Der mal mehr mal weniger gut erkennbare Steig führt mich nun über üppig blühende Almwiesen mit phantastischem Blick auf die Dolomiten bis hinunter zu einem Stall, in dessen Schatten es sich die Kühe gemütlich gemacht haben. 
Über eine alte Kriegsstraße geht es dann fast eine Stunde wieder hinauf zum Kniebergsattel. Hier verläuft die Grenze nach Südtirol, für mich ein besonderer Moment.
Vom Sattel hinab folge ich einer Almstraße durch ein Hochtal bis zur gut besuchten Nemesalm, und dann etliche Kilometer bis nach Sexten. Langeweile kommt dabei nicht auf angesichts des unglaublichen Dolomiten- Panoramas.
In Sexten werde ich drei Nächte bleiben. Mit Hilfe von Houston Mission Control komme ich im Hotel Strobl unter, ein trotz des Namens stark italienisiertes 3-Sterne Hotel mit ungewohnt luxuriösem Ambiente. 
Ich schlendere noch kurz durch den Ort und beziehe dann mein Zimmer mit schönem Balkon. 
Zum Abendessen wähle ich Erichs Pizzeria, dann mache ich bald die Augen zu.

Glück des Tages: Der unfassbare Blick auf die Dolomiten

Gelaufen: 23,1 Kilometer 
Bergauf: 680 Hm
Bergab: 1.553 Hm
Höchster Punkt: Filmoor-Sattel (2.453m)
Übergänge: Filmoor-Sattel, Kniebergsattel
Gipfel: Keine 

Ausrüstung

" Ihm gehörten die Dinge in seinen Taschen, die Kleidung, die er trug, und die Schuhe an seinen Füßen. Das war alles, und es genügte. ...